Das Elektron (blau) kreist um den Atomkern (rot) und schließt auf seiner Bahn zahlreiche Atome des Bose-Einstein-Kondensats (grün) ein.

Illustration: TU Wien

Wien – Eine internationale Forschergruppe unter Beteiligung der Technischen Universität (TU) Wien hat einen neuen, exotischen Materiezustand nachgewiesen und das Ergebnis im Fachjournal "Physical Review Letters" präsentiert. Dabei umkreist ein Elektron seinen Atomkern in so großem Abstand, dass noch weitere Atome im Inneren seiner Bahn Platz finden und so zu einem Objekt verbunden werden.

Ein Atom besteht aus einem positiv geladenen Kern, umgeben von einer Hülle aus Elektronen. Dazwischen befindet sich in der Regel nichts als leerer Raum. Wie die Forscher in ihrer aktuellen Studie nun zeigen, muss das nicht immer so sein. Unter speziellen Umständen lassen sich auch noch ganze Atome zwischen den Kern und ein ihn umkreisendes Elektron packen.

Nachweis im Bose-Einstein-Kondensat

Dazu erzeugten die Physiker zunächst bei Temperaturen knapp über dem absoluten Nullpunkt (minus 273 Grad Celsius) ein sogenanntes Bose-Einstein-Kondensat aus Strontium-Atomen. Die einzelnen Atome werden dabei völlig ununterscheidbar und bilden einen kollektiven Quantenzustand, der in seiner Struktur einem Gas ähnelt.

In einem nächsten Schritt regten sie mit einem Laser eines der Atome an. Dadurch versetzten sie eines seiner Elektronen in einen Zustand hoher Energie, in dem es seinen Kern in einem extrem großen Abstand umkreist – Physiker sprechen von einem Rydberg-Atom. Der mittlere Abstand zwischen Kern und Elektron kann dabei mehr als das Tausendfache des Radius eines Wasserstoffatoms betragen. Dadurch befinden sich viele andere Atome des Kondensats im Inneren des Rydberg-Atoms.

"In diesem Zustand kann das Elektron bis zu 160 der im Inneren befindlichen Atome schwach an sich binden und bildet so ein Rydberg-Polaron", erklärte Joachim Burgdörfer vom Institut für Theoretische Physik der TU Wien, einer der Autoren der Studie. Er hat gemeinsam mit seinem Kollegen Shuhei Yoshida und Forschern der Universität Harvard die Theorie entwickelt, während die dazugehörigen Experimente an der Rice University in Houston durchgeführt wurden.

Neue Blicke auf ultrakalte Eigenschaften

Da die Strontium-Atome elektrisch neutral sind, stören sie das Rydberg-Elektron auf seiner Bahn kaum. "Es wird zwar leicht gestreut, verlässt aber nie seine Bahn", so Burgdörfer. Durch diese schwach anziehende Wechselwirkung wird die Gesamtenergie des Systems verringert und es stellt sich ein Bindungszustand zwischen dem Rydberg-Atom und den anderen Atomen ein. Da die Bindung nur sehr schwach ist, lässt sich der Effekt allerdings nur bei extrem niedrigen Temperaturen beobachten. Würden sich die Atome schneller bewegen, würde das Polaron sofort auseinanderbrechen.

Für Burgdörfer bietet dieser neue Materiezustand die Möglichkeit, die Physik ultrakalter Atome besser zu verstehen. Auf diese Art könne man die Eigenschaften eines Bose-Einstein-Kondensats auf sehr kleinen Längenskalen präzise bestimmen. (APA, 26.2.2018)