Nicht nur SUV, sonder SUV-Coupé: Der BMW X2.

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Luxus und Gelände kombiniert der Range Rover.

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Die SUV-Bandbreite reicht mittlerweile von sehr kompakten Beiträgen wie etwa dem Seat Arona (4,14 m)...

Foto: Andreas Stockinger

... bis hin zu luxuriösen Giganten wie dem Mercedes GLS (5,13 m lang).

Foto: Andreas Stockinger

Wien – Irgendwie hat sich der Begriff SUV durchgesetzt, irgendwann haben einige mangels Treffsicherheit des Worts auch noch versucht, SUV für ihre Zwecke zu modellieren, zum Beispiel auf "Crossover" oder "Sports Activity Vehicle" (BMW). Wir wollen aber nicht weiter in die Begriffswelten hineinbohren, amtlich ist sowieso nix davon. Was wir aber objektiv feststellen dürfen: Von 3,5 Metern Fahrzeuglänge aufwärts ist mittlerweile jeder Millimeter vom Höhergestelltwerden betroffen, bei nahezu allen zumindest größeren Marken. Keine Modellreihe, kein Baukasten, keine Konstruktionsplattform kommt nicht mehr ohne eine rustikalisierte Variante durch.

Andere bisher beliebte Fahrzeugkategorien werden von diesem Trend hinweggefegt. Die Vans zum Beispiel, aber auch die Kombis, die ja schon vorher einen erheblichen Teil der Limousinen verdrängten. Sogar Coupés und Cabrios werden von entsprechend modellierten Crossover-Modellen verdrängt. Im schlichteren Fall reichen ein paar Millimeter mehr Bodenfreiheit und eine behutsame dramaturgische Verschärfung der Stoßfänger und Kunststoffleisten an den Flanken (Dacia). Am anderen Ende der Palette wird den charakterlichen Grundzügen einer Luxuslimo auch noch volle Geländegängigkeit unterlegt (Range Rover). Dazwischen versucht einfach jeder, über Variationen von Länge mal Breite mal Höhe im Millimeterbereich jede denkbare Nische zu eröffnen und besetzen.

Volle Auswahl

Aber was steckt darunter, was dahinter? Technisch finden wir in diesen Autos nichts, was nicht auch in anderen Fahrzeugklassen zu kriegen wäre. Wir haben die Wahl zwischen Schaltgetriebe und Automatik, zwischen Frontantrieb und Allrad, zwischen Benziner und Diesel und ganz am Rande noch Hybrid. Nur bei ganz wenigen Modellen gibt es echte Geländetechnik auch noch.

Der Zugewinn an Bodenfreiheit liegt meist im einstelligen Zentimeterbereich. Das Mehr an Fahrzeughöhe verschärft die Wankneigung bei Kurvenfahrt, die wiederum mit stärkerem Stabilisator, etwas härterer Federung und strafferer Dämpfung ausgeglichen werden muss, ist also mehr ein Problem für die Konstrukteure als ein Vorteil für die Passagiere. Dass man versucht, die Fahrzeughöhe trotz des mächtigeren Unterbaus in Grenzen zu halten, Stichwort SUV-Coupés, mag wohl ein Teil des Kampfes gegen das Wanken sein. Das Ergebnis trotzdem: SUVs sind tendenziell etwas härter gefedert, und bei billigen Fahrzeugen hört man oft die Radaufhängung ein bissl pumpern.

Reiz und Risiko

Doch der wirklich signifikante Nachteil kommt erst: Mehr Fahrzeughöhe bei gleicher oder auch etwas gewachsener Fahrzeugbreite heißt mehr Querschnittsfläche, bedeutet, multipliziert mit dem Luftwiderstandsbeiwert (cw), mehr Verbrauch und damit mehr CO2-Ausstoß. Das ist jetzt nicht großartig, aber es summiert sich: Für die Kaufentscheidung bei derzeitigen Spritpreisen erscheint die Differenz im Verhältnis zum Wertverlust vernachlässigbar gering, für die Autohersteller ist das aber eine dicke Nuss, weil sie damit die Flottenverbrauchsziele noch schwerer erreichen werden. In letzter Konsequenz könnten sich die hohen Strafsteuern für die Hersteller auch in höheren Autopreisen für die Kundschaft niederschlagen. Wir werden sehen.

Aber es muss ja auch Gründe geben, warum SUV und Crossover so beliebt sind. Gefühlt gibt es ziemlich viele: Die höhere aufrechtere Sitzposition bedeutet eine Erleichterung und Entlastung für das Knochengerüst, vor allem wenn die ersten Zeichen des Älterwerdens auftauchen und die Beweglichkeit zurückgeht.

Was die Sichtverhältnisse angeht, muss man die Argumentation sogar schon umdrehen. Zwischen all den vielen hochgestellten Autos erkennt man in einem normalen Auto nur mehr die Auspuffrohre der anderen, der Überblick ist richtig schlecht geworden. Man sieht mit einem normalen Auto an den SUVs nicht mehr g'scheit vorbei, nicht mehr durch und schon gar nicht mehr drüber. Besonders verschärft sich die Thematik im strömenden Regen, wo man von den Wassermassen der anderen zugespült wird. Kurzum, man sieht aus einem SUV besser raus. Aufrüsten ist aus reiner Notwehr schon angesagt.

Die Endlichkeit des Bauches

Auch das Ein- und Aussteigen ist ein wichtiger Punkt, höhere, kürzere Türen ermöglichen einen größeren Öffnungswinkel, vergrößern die körperliche Durchtrittsfläche. Jeder weiß das zu schätzen, der erkannt hat, dass man seinen Bauch nicht beliebig weit einziehen kann. Damit haben wir das Kernargument für den enormen Erfolg der SUVs: Es sind gute Autos für alte Leute, und in einer Gesellschaft, in der man bereits ab vierzig alt ist, gibt es wohl verdammt viele davon, auch wenn es andersrum wieder niemand so sieht. Wichtig aber: Genau das wird mit einem SUV eben nicht assoziiert (selbst wenn es dort aufgrund der Kopffreiheit sogar leichter wäre, den Hut aufzulassen).

Es gibt wahrscheinlich noch ein paar Gründe, die meisten davon finden in unserem Unterbewusstsein statt. Man könnte das alles zusammenfassen mit: Wir lassen uns liebend gerne papierln. Der optische Geländewagencharakter des SUVs suggeriert uns das, wovon, wir mit zunehmendem Besitz immer weniger haben: autofahrerische Freiheit. Autos fahren in der Werbung immer allein durch einsame Landschaften, ein SUV verkörpert das am glaubwürdigsten, selbst dann noch oder dann erst recht, wenn er großstädtisch eingeklemmt am Randstein klebt. (Rudolf Skarics, 2.3.2018)