Stoßwellen gelangen durch die Haut zur schmerzenden Stelle, ganz ohne Medikamente oder Durchbrechen der Hautbarriere.

Foto: Orthopädisches Spital Speising

Es war eine zufällige Entdeckung: Als ein deutscher Mediziner in den 1980er-Jahren mittels Stoßwellentherapie die Nierensteine eines Patienten zertrümmerte, die später mit dem Harn ausgeschieden werden sollten, musste er die hochenergetischen Druckwellen durch den Beckenkamm schicken. Anstatt, wie befürchtet, den Knochen dabei zu schädigen, stellte der Mediziner einige Wochen später an genau jener Stelle fest, dass die Knochendichte sogar verbessert wurde.

Mit der bis dahin vermuteten rein mechanischen Funktion der Stoßwellentherapie, bei der dem Gewebe kleine Verletzungen zugefügt werden und somit Mikroeinblutungen entstehen, konnte der Effekt am Beckenknochen damals nicht erklärt werden. Es musste mehr dahinterstecken, eine zusätzliche biologische Reaktion im Gewebe. "Dass es eine biologische Gewebsantwort gibt; ist zweifellos bewiesen. Aber wie sie zustande kommt, ist bis heute nicht vollständig geklärt", sagt Raphael Scheuer vom Orthopädischen Spital Speising.

Mitunter aus Tierversuchen ist bekannt: "Es kommt zu einer erhöhten Ausschüttung von Wachstumsfaktoren, zur Einsprossung von Blutgefäßen und neuem Gewebe, aktivierte Stammzellen wandern vermehrt ein, und man hat in einer vielfach erhöhten Konzentration entzündungshemmende Mediatoren gefunden", erklärt Scheuer.

Standard bei Knochenbruch

An der Wirkungsart wird weltweit geforscht, auch in Österreich. Stoßwellen sind Druckwellen, die ins Gewebe gesendet werden – "vergleichbar mit der Energie, die bei einem Blitz oder einer Explosion nach außen freigesetzt wird. Die Scherkraft, die dabei entsteht, dürfte an der Zelloberfläche einen spezifischen Rezeptor aktivieren, der wiederum in der Zelle eine Signalkaskade in Gang setzt", vermutet Scheuer.

Erkannt und zunutze gemacht haben sich Orthopädie und Unfallchirurgie die Stoßwellen schon früh. 1989 wurde erstmals ein schlecht heilender Knochenbruch mit Stoßwellen behandelt, mit Erfolg. Heute sind Stoßwellen in Österreich die Standardmethode, vielfach werden Knochenbrüche mit schlechter Heilungsrate schon unmittelbar nach der Operation therapiert. "Durch den biologischen Wirkmechanismus wird die Heilungsrate deutlich verbessert", so Scheuer. Bei begleitenden oder alleinigen Hautverletzungen wird die Wundheilung ebenso deutlich angekurbelt.

Dieses Prinzip macht sich derzeit noch auf experimenteller Basis auch die Kardiologie zunutze. Werden nach einer Herz-Bypass-Operation Stoßwellen eingesetzt, sprossen vermehrt Gefäße ein, dadurch verbessern sich Blutversorgung und Herzfunktion.

Zwei Varianten

Es gibt zwei Arten von Stoßwellen: radiale und fokussierte. Letztere sollten dann eingesetzt werden, wenn das Problem tiefer als zwei bis drei Zentimeter unter der Hautoberfläche liegt. Fokussierte Stoßwellen zeichnen sich durch einen sehr raschen Druckanstieg, eine kurze Spitzendruckdauer und einen raschen Abfall der Druckenergie aus. Der Impuls dauert nur Nanosekunden an. Im Zentrum hat der Druck mehr als einhundert Bar. Fokussierte Stoßwellen werden in der Tiefe des Gewebes gebündelt.

Radiale Stoßwellen geben die maximale Energie bereits an der Oberfläche ab, also dort, wo der Applikator aufsitzt. Tiefer im Gewebe lässt der Druck nach. Radiale Stoßwellen eignen sich daher nur für oberflächliche Beschwerden wie auch muskuläre Verspannungszustände. Ihr Vorteil: Sie haben ein größeres Wirkfeld, breitere Areale können behandelt werden. "Für jedes Beschwerdebild ist das richtige Gerät erforderlich", sagt Scheuer und vergleicht fokussierte und radiale Stoßwellen mit einem Scharfschützengewehr und einer Schrotschusspistole. Häufig, so der Orthopäde, wüssten Patienten nicht über die Unterschiede Bescheid. Dieses Problem kennt auch die Unfallchirurgin Stella Prosquill von der Ordination Arthrowaves: "Oft kommen Patienten zu uns, die schon eine Stoßwellentherapie bekommen haben, die allerdings keine Wirkung zeigte. Meist wurden sie aber nur mit radialen und nicht mit fokussierten bzw. den von uns eingesetzten elektrohydraulischen Stoßwellen behandelt."

Die Kosten für fokussierte Therapien liegen je nach Krankheitsbild und Anbieter zwischen 140 und 270 Euro pro Behandlung. Meist sind ein bis zwei Behandlungen nötig, um Schmerzfreiheit beim Patienten zu erreichen – sie tritt meistens nach etwa sechs Wochen ein, so Scheuer. Radial wird meist drei- bis fünfmal in wöchentlichen Abständen behandelt, die Kosten liegen deutlich unter dem fokussierten Tarif.

Wie es abläuft

Die Behandlung von orthopädischen Beschwerden erfolgt meist ambulant, für einige Indikationen müssen Patienten ins Spital. Auf die schmerzende Stelle wird ein Gel aufgetragen, danach gibt ein Applikator die Stoßwellen ab. Die Behandlung dauert fünf bis 15 Minuten. "Sie ist schon mit Schmerzen verbunden, aber man hält es aus", sagt Scheuer, für den die Vorteile der Stoßwellentherapie klar auf der Hand liegen: "Die Methode kommt gänzlich ohne Medikamente aus, und die Hautbarriere wird nicht durchbrochen. Daher eignet sie sich für alle Patienten, auch für Schwangere." Abgesehen von eventuell auftretenden kleinen Blutergüssen sind keine Nebenwirkungen bekannt. (Bernadette Redl, 27.2.2018)