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Saleh Muslim, früherer Chef der syrischen PYD.

Foto: AP/Wijngaert

Prag/Ankara – Die Verhaftung eines hochrangigen syrisch-kurdischen Politikers auf Geheiß der Türkei in Prag befeuerte am Montag wieder die Debatte über die Roteckfahndung von Interpol und deren Missbrauch durch autokratische Regierungen. Saleh Muslim sei am Sonntag offiziell in Europa unterwegs gewesen, als er in Prag von den tschechischen Behörden auf der Grundlage eines Interpol-Haftbefehls festgenommen wurde, teilte seine Partei PYD mit.

Die PYD ist die führende kurdische Kraft in Nordsyrien, Muslim hat auch nach seinem Rücktritt als Vizechef großen Einfluss. Gegen den militärischen Arm der PYD geht die Türkei seit Jänner in einer Militäroffensive auf syrischem Boden vor.

Obwohl Muslim syrischer Staatsbürger ist, hatte die Türkei, die Muslim Terrorismus vorwirft, bei Interpol ein Gesuch zu dessen Verhaftung eingereicht. Kategorie: "red notice" – oder zu Deutsch Roteckfahndung, das schärfste Instrument, zu dem sich Mitgliedsstaaten von Interpol gegenseitig auffordern können.

Proteste in Prag

Der Vize-Parteivorsitzende der deutschen Linken, Tobias Pflüger, warf Tschechien vor, "Handlangerdienste für die Türkei geleistet" zu haben. Rund 200 Menschen demonstrierten am Montag in Prag gegen die Verhaftung.

Die Türkei beantragte die Auslieferung, der Fall muss nun von einem tschechischen Gericht bewertet werden. Die tschechischen Behörden haben von der Türkei Unterlagen zur Auslieferung Muslims angefordert. Ab dem Zeitpunkt der Festnahme läuft eine Frist von drei Tagen.

Zahlreiche Ansuchen

Muslim ist nicht der erste Fall, der zeigt, wie leicht Interpol-Instrumente von Autokratien ausgenutzt werden können. Im vergangenen Sommer wurde beispielsweise der deutsche Schriftsteller Dogan Akhanli in Spanien kurzzeitig festgenommen. Er wurde zwar von den spanischen Behörden auf freien Fuß gesetzt, durfte das Land aber erst zwei Monate später verlassen.

Die türkische Regierung hat Interpol nach dem Putsch im Sommer 2016 mit mehreren tausend Haftansuchen überhäuft. Nach dem Fall Akhanli begann eine Debatte, ob die Türkei bei Interpol suspendiert werden soll. Interpol wurde aufgefordert, türkische Gesuche genauer zu prüfen. (mhe, mab, 26.2.2018)