Irgendeiner meckert immer. Über das Essen, das Wetter und erst recht über Politik. Man kennt das sogar aus der CDU. Auch dort wurde in den vergangenen Jahren immer wieder Kritik an Angela Merkel laut. Doch was da am Montag auf dem Parteitag passierte, war doch ungewöhnlich.

Ein Delegierter nach dem anderen machte seinem Unmut Luft: Finanzministerium bei der SPD, zu wenig konservatives Profil, zu lasche Asylpolitik, zu wenig Diskussion, nicht genug Augenmerk auf Zukunftsthemen im Koalitionsvertrag. – Merkel musste sich viel anhören.

Natürlich hat sie ihre überwältigende und überragende Zustimmung zum Koalitionsvertrag bekommen. Wenn's ernst wird, steht die CDU immer noch beisammen. Opposition ist für eine Partei, die die Sozialdemokraten an den Schalthebeln der Macht als Betriebsunfall der Geschichte einstuft, keine Option. Die CDU sieht sich als die geborene Regierungspartei.

Viele Kehrtwenden

Ein "Kanzlerwahlverein", der alles abnicke, sei sie, wurde ihr unter Helmut Kohl oft vorgeworfen. Auch unter Merkel war in den vergangenen Jahren oft vom "Kanzlerinnenwahlverein" die Rede. Die vielen Kehrtwenden, die Merkel ihrer Partei zumutete, wurden meist gar nicht diskutiert.

Ausstieg aus der Atomkraft, Abschaffung der Wehrpflicht, doch ein Ja zur Ehe für alle – man nahm es zur Kenntnis. Merkel sorgte ja für gute Wahlergebnisse. Bei der Eurorettung rumorte es zwar, aber die Mehrheiten standen immer noch.

2015 aber, seit Merkel mit ihrer Asylpolitik so viele Menschen innerhalb und außerhalb der Partei verunsichert hatte, kam der Bruch. Immer mehr äußerten ihren Ärger. Zwar ist das Thema wieder in den Hintergrund gerückt, aber die Paste bringt Merkel nicht mehr in die Tube zurück.

Aller Voraussicht nach – wenn die SPD-Basis Ja zum Koalitionsvertrag sagt – wird Merkel im März zum vierten Mal ins Kanzleramt einziehen. Doch es kann eine andere CDU sein, die an ihrer Seite ist. Die neue Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer hat das Zeug dazu, mehr Generalin als Sekretärin zu sein.

CDU braucht Frischzellenkur

Zudem hat sie erkannt, dass die CDU eine Frischzellenkur braucht. Dazu gehört nicht nur die programmatische Durchlüftung, sondern auch eine neue Bereitschaft zur Diskussion. Jahrelang hat der mit Merkel zufriedene Teil der Union geschwiegen, der konservative zwar ein bisschen aufgemuckt, und das war's dann.

Man sprach mehr übereinander als miteinander, und am Ende staunte man gemeinsam über schlechte Wahlergebnisse. Kramp-Karrenbauer hat versprochen, allen Flügeln der Partei eine Stimme geben zu wollen. Das kling natürlich gut, ist aber eine große Herausforderung. Denn am Ende muss ja ein Parteiprogramm stehen, das alle mittragen können.

Viel wird auch vom designierten Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) abhängen. Wird die Speerspitze der Konservativen im Kabinett zum Abnicker Merkel'scher Politik? Oder kann er seinen eigenen Kopf behalten und stößt neue Debatten an?

Es ruhen viele Hoffnungen auf ihm und Kramp-Karrenbauer. Endlich gibt es in der CDU so etwas wie eine nächste Generation. Und wenn das mit dem Debattieren nicht klappt, muss man kurioserweise auf die SPD verweisen: Die hat zwar ganz viel falsch gemacht in letzter Zeit, aber eines muss man ihr lassen: Ihre Mitglieder diskutieren mit Eifer und Leidenschaft.(Birgit Baumann, 26.2.2018)