Wenn das Gespräch auf die Darmkrebsvorsorge kommt, erkundigen sich Ärzte häufig nach Krebsfällen im engeren Familienkreis ihrer Patienten. Darmkrebs bei direkten Angehörigen gilt als ein bekannter Risikofaktor. Neben der Familiengeschichte liefert auch das Profil genetischer Risikomarker Informationen über das persönliche Krebsrisiko.

Darunter verstehen Wissenschaftler winzige genetische Varianten (sog. Einzelnukleotid-Polymorphismen), die jede für sich nur einen sehr geringen Zusammenhang mit der Erkrankungswahrscheinlichkeit zeigt. Wissenschafter aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) haben nun gezeigt, dass die Kombination aus Familiengeschichte und der Analyse der genetischen Marker dabei hilft, die persönliche Risikovorhersage für Darmkrebs präziser zu ermitteln.

In ihrer Gesamtheit haben sie aber einen wesentlichen Einfluss. "Vielfach herrscht die Meinung, das genetische Risikoprofil und die Familiengeschichte würden im Wesentlichen dieselbe, redundante Information liefern", sagt Hermann Brenner vom DKFZ

Diagnose in der Familie erhöht Risiko

Der Experte für Darmkrebs-Prävention hat diese Vorstellung mit einer aktuellen Arbeit relativiert und nachgewiesen, dass es sinnvoll ist, beide Informationsquellen in Kombination zu nutzen. Für etwa 4.500 Teilnehmer der DACHS-Studie, darunter etwa die Hälfte Darmkrebspatienten, analysierte der Erstautor Korbinian Weigl die Familiengeschichte und parallel dazu ein Panel von 53 bekannten genetischen Risikomarkern. Die DACHS-Studie ist eine epidemiologische Fall-Kontroll-Studie des DKFZ und steht für "Darmkrebs: Chancen der Verhütung durch Screening".

Der Epidemiologe entdeckte, dass beide Faktoren weitestgehend voneinander unabhängige Ergebnisse liefern. So hatten Teilnehmer mit Darmkrebsfällen unter Verwandten ersten Grades ein etwa doppelt so hohes Erkrankungsrisiko wie Menschen ohne Darmkrebs-Familiengeschichte. Die Gruppe der Teilnehmer, die die meisten genetischen Risikomarker in ihrem Erbgut trägt, hatte ein dreimal höheres Erkrankungsrisiko als die Studienteilnehmer mit der geringsten Anzahl an Risikovarianten.

Bei Teilnehmern mit positiver Familiengeschichte, die zugleich zahlreiche genetische Risikomarker tragen, multiplizierte sich das Risiko: Sie erkranken sechsmal häufiger als Menschen ohne Darmkrebs-Familiengeschichte, in deren Erbgut sich nur wenige Risikomarker finden. Zwischen der Zahl der genetischen Risikovarianten und der Familiengeschichte fand sich kein signifikanter Zusammenhang.

Darmkrebs-Vorsorge ab 50

"Es wird häufig vermutet, dass die familiäre Häufung von Darmkrebs in erster Linie genetisch bedingt ist. Das ist für einem kleinen Teil der Darmkrebsfälle, insbesondere für Erkrankungen in sehr jungem Alter, auch zutreffend", sagt Hermann Brenner. Für die Mehrzahl der Darmkrebserkrankungen ist dies aber nicht der Fall.

Das könnte seiner Meinung nach daran liegen, dass Krebsfälle in der Familie vor allem gemeinsame nicht-genetische Faktoren reflektieren wie etwa Rauchen oder eine körperlich inaktive Lebensweise. Weiterhin steigert eine hohe Anzahl an genetischen Risikomarkern das Krebsrisiko gleichermaßen bei Menschen mit wie auch bei Menschen ohne Darmkrebs-Familiengeschichte.

"Das Ergebnis zeigt uns eindeutig, dass die Kombination beider Faktoren das Potenzial hat, die Risikovorhersage für Darmkrebs erheblich zu präzisieren", fasst Brenner zusammen. "Je genauer wir das persönliche Risiko bestimmen können, desto besser können wir die Vorsorge anpassen. Für Menschen mit hohen Risiken wäre es beispielsweise sinnvoll, mit der Darmkrebs-Vorsorge deutlich vor dem 50. Lebensjahr zu beginnen", erklärt der Mediziner. (red, 6.3.2018)