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EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.

Foto: AP Photo/Darko Vojinovic

Es ist eine Reise im Eiltempo. Dieser Tage besucht EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker die sechs EU-Aspiranten in Südosteuropa. Er stellt die neue Erweiterungsstrategie vor, im Rahmen derer schon viel analysiert wurde (mangelnde Rechtsstaatlichkeit, Unterwanderung der Staaten durch Parteien) – konkrete Instrumente, wie der wachsende Autoritarismus, der völkische Nationalismus und der politische Missbrauch von Sicherheitsbehörden und Justiz bekämpft werden können, gibt es nicht.

Die EU-Kommission stellt für Serbien und Montenegro einen Beitritt 2025 in den Raum. Juncker lobte am Dienstag in Belgrad den "beeindruckenden Weg", den Serbien Richtung EU gemacht habe, betonte aber, dass 2025 nicht unbedingt das tatsächliche Beitrittsdatum sein müsse. Die meisten Experten monieren ohnehin, dass 2025 zu früh angesetzt sei, zumal auch Deutschland bei der Erweiterung auf der Bremse steht. Doch der serbische Präsident Aleksandar Vucic bettelt seit Jahren um ein Datum. Vucic ist für die EU wichtig, um die Kosovo-Frage endgültig zu lösen und den russischen Einfluss in der Region einzudämmen. Im serbischen Nis hat Russland etwa ein "Ausbildungszentrum" errichtet.

Dialog wiederaufgenommen

Diese Woche wurde übrigens das erste Mal seit langer Zeit in Brüssel der Dialog zwischen Serbien und dem Kosovo wiederaufgenommen. Juncker betonte, es liege an Belgrad und Prishtina, den Charakter ihres künftigen rechtlich bindenden Abkommens zu bestimmen. Geht es nach dem Kosovo, soll es rasch gehen.

Bis Sommer soll der Verband der serbischen Gemeinden geschaffen werden, der bereits 2013 vereinbart worden war. Das Abkommen zwischen Serbien und dem Kosovo soll ermöglichen, dass der Kosovo Mitglied der Uno wird. Serbien will, dass auch Russland an den Verhandlungen teilnimmt, was durchaus sinnvoll wäre, weil Russland bislang ein Veto gegen die UN-Mitgliedschaft für den Kosovo einlegt. Offen ist aber, was der Preis dafür sein könnte. Jene Kräfte in Serbien, die unter starkem russischem Einfluss stehen – wie Außenminister Ivica Dacic –, wollen eine Teilung des Kosovo in einen "serbischen" und einen "albanischen" Teil.

Eine Teilung des Kosovo würde aber allen politischen Bemühungen des Westens in den vergangenen 25 Jahren widersprechen, die Balkanstaaten eben nicht entlang ethnischer Kriterien zu ordnen.

Beim Zerfall Jugoslawiens orientierte man sich am Völkerrechtsprinzip "uti possidetis". Dieses besagt, dass die internationalen Grenzen auf dem Territorium der neu entstehenden Staaten den bereits bestehenden administrativen Grenzen – also den Republiken – entsprechen sollten. Im Fall Kosovo wäre das die autonome Provinz. "Die Gefahr, Grenzen nach ethnischen Kriterien neu zu ziehen schafft das Risiko eines Dominoeffekts, wo sich nationalistische Gruppen ermutigt sehen, neue Grenzen herbeizuführen. Es wäre nicht nur der Sieg des Ethnonationalismus und der Kriegsparteien der Neunzigerjahre, sondern würde den Balkan und auch potenziell Europa destabilisieren", sagt Florian Bieber, Leiter des Zentrums für Südosteuropastudien an der Universität in Graz.

Eine Änderung der Grenzen wäre ein Signal an die Separatisten in Bosnien-Herzegowina, die bereits im Krieg (1992–1995) eine Abspaltung und den Anschluss an Serbien wollten. Erst diese Woche wurde im Landesteil Republika Srpska beschlossen, denselben Lehrplan einzuführen, wie er in Serbien in den Schulen gilt.

Am Mittwoch soll Juncker in Sarajevo Antworten auf den Fragenkatalog erhalten, den die EU vor Monaten übergeben hatte. (Adelheid Wölfl aus Sarajevo, 28.2.2018)