Verlässlicher Duopartner: der Pianist Julian Riem.
Plötzlich ganz anders spielen: Cellistin Raphaela Gromes.

Foto: Hendrich

STANDARD: Wie würden Sie die Kollegin musikalisch charakterisieren?

Riem: Sie ist eine vitale Person, die man mit ihrer Präsenz und Ausstrahlung sofort bemerkt. Als Musikerin hat sie eine profunde Herangehensweise, wie sie sich mit dem Notentext beschäftigt. Und sie hat eine geniale Begabung, wie sie die Musik gegenüber dem Publikum transportiert. Kommunikation und Verständnis herzustellen ist eine ihrer Fähigkeiten.

STANDARD: Erkennen Sie sich?

Gromes: So eine Frage hat uns noch nie jemand gestellt! Also: Meine Eltern sind ja auch Cellisten. Falls Julians Beschreibung stimmt: Wahrscheinlich habe ich schon als Baby und Kind viel mitbekommen und dadurch eine gewisse Natürlichkeit entwickelt. Ich habe offenbar schon gelernt, mich auf die Musik zu konzentrieren und mich auf der Bühne wohlzufühlen. Es kann schon sein, dass ich das in die Wiege gelegt bekommen habe.

STANDARD: Was schätzen Sie an Herrn Riem?

Gromes: Wir spielen seit sechs Jahren im Duo, aber Julian ist ein so runder Musiker, dass es schwerfällt, eine einzelne Eigenschaft herauszuheben. Er hat eine tiefe Ausdruckskraft und an passenden Stellen auch viel Humor, gleichzeitig singt er auf dem Klavier, wie ich es auf Tasteninstrumenten noch nie gehört habe, und kann die Linien so charakteristisch führen, dass man jede Stimme heraushört. Für mich ist am wichtigsten, dass er flexibel ist, dass er aufmerksam immer bei mir ist und ich blind darauf vertrauen kann, dass er bei mir sein wird, wenn ich auf der Bühne einer Intention folge und plötzlich anders spiele, als wir es geprobt haben.

STANDARD: Variiert die Interaktion je nach Repertoire?

Gromes: Wir versuchen, unsere Interpretationen in einen musikhistorischen Kontext zu stellen. Aber wenn wir das in einem Prozess erarbeitet haben, gibt es einen Spielraum, den wir auskosten können. Es kann sein, dass ein Stück bei einer Tournee jeden Abend anders klingt – das sind für mich magische Momente. Wenn wir das Wiener Programm nehmen: Bei den virtuosen Variationen Une larme von Rossini ist das Cello sehr frei, denke ich, wie ein Opernsänger. Da kann ich bei Julian davon ausgehen, dass es funktionieren wird – und zwar viel spontaner als beim Zusammenspiel mit Dirigent und Orchester, wo es eine viel längere Reaktionszeit gibt.

STANDARD: Gibt es bei den Proben Meinungsverschiedenheiten?

Riem: Ja, natürlich! Wir haben immer wieder verschiedene Zugänge und müssen herausfinden, wie wir auf einen Nenner kommen. Aber das hat noch nie lange gedauert. Wir haben uns immer schnell auf eine Linie geeinigt.

STANDARD: Ihr Kennenlernen?

Riem: Vor sechs Jahren habe ich den Richard-Strauss-Wettbewerb in München offiziell begleitet. Vor der Vorrunde hatte ich an einem Tag acht Proben mit den Kandidaten. Die meisten sind nervös und haben viele Wünsche: hier schneller, da aufpassen ... Raphaela kam herein, hat überhaupt nichts gesagt, und wir haben nach zehn Minuten gemerkt, dass es funktioniert. Dann sind wir Kaffee trinken gegangen, und sie hat den Wettbewerb gewonnen. Das Preisträgerkonzert war unser erstes gemeinsames Konzert.

STANDARD: Auch so erlebt?

Gromes: Ich glaube nicht, dass ich einen Kaffee getrunken habe. (lacht) Dafür war ich zu aufgeregt. Ich war so fokussiert, dass ich mich nicht genau erinnern kann. Aber wir haben vor dem Konzert so geprobt, wie ich das noch nie erlebt hatte. Es hat mich fasziniert, wie sich viel ohne Reden durch musikalisches Aufeinander-Eingehen von selbst ergeben hat. (Daniel Ender, 1.3.2018)