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Eine positive Zukunftsvision für das Land, das sich nur langsam von der längsten und schlimmsten Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg erholt, hat bisher niemand vorgestellt.

Foto: reuters

Italien hat es gut. So gut, dass man die Einkommensteuer auf einen Einheitssatz von 15 Prozent senken könnte – das jedenfalls verspricht die Lega. Ihr Chef Matteo Salvini argumentiert, dass so in- und ausländische Unternehmen wieder in Italien investieren würden, das würde die Steuerausfälle mehr als kompensieren. Ex-Premier Silvio Berlusconi glaubt das auch, ist aber ein wenig vorsichtiger: Er setzt die "Flat Tax" eher bei 20 Prozent an. Und weil er gerade dabei ist, verspricht er auch noch das Aus für die Immobilien-, Auto- und Unternehmenssteuer Irap.

Salvini zieht nach und stellt eine Senkung des Pensionsalters um mehrere Jahre in Aussicht. Doch auch die Konkurrenz hat einen Knaller parat: Beppe Grillos Fünf-Sterne-Bewegung verspricht ein bedingungsloses Grundeinkommen bis zu 1.560 Euro. Nur der sozialdemokratische PD kann als Regierungspartei nicht ganz mithalten. Aber immerhin: Neben einigen anderen Wohltaten verspricht Ex-Premier und PD-Chef Matteo Renzi, den Pensionisten die TV-Gebühren zu erlassen.

Die Wahlversprechen von Salvini und Berlusconi würden ein Loch von über 100 Milliarden Euro in die Staatskasse reißen – bei einem Schuldenstand von über 2.200 Milliarden Euro, dem höchsten in der EU. Dass sie blanken Unsinn erzählen, wissen natürlich alle – auch die Wähler.

Denn statt nach den Wahlen mit vollen Händen Geld zu verteilen, wird die neue Regierung – welcher Couleur auch immer – als Erstes einen Korrekturhaushalt von fünf Milliarden Euro beschließen müssen. Das hat die EU-Kommission Anfang des Jahres Rom mitgeteilt. Dabei hatte die Regierung schon vor einem Jahr alle Mühe, die Mittel für eine Korrektur von bloß 2,5 Milliarden Euro aufzutreiben.

Das liebe Geld ist die eine Sache – das zentrale Thema des Wahlkampfs war und ist bis zuletzt aber die Einwanderungspolitik. Auch hier: Schaumschlägereien und Fake-News. So versprach Berlusconi die Abschiebung aller 600.000 Immigranten, die sich illegal in Italien aufhalten sollen. Abgesehen davon, dass die Zahl zu hoch gegriffen ist: Wie sollen die Abschiebungen funktionieren?

Radikalisierung der Worte

Die unablässige Hetze vor allem der rechten Lega gegen Flüchtlinge und Einwanderer hat ihre Wirkung nicht verfehlt. In dem traditionell eher toleranten Italien gaben kürzlich in einer Umfrage 19 Prozent an, Sympathien für den früheren faschistischen Diktator Benito Mussolini zu hegen. Das wäre noch vor wenigen Monaten völlig undenkbar gewesen.

Eine weitere Erkenntnis der Umfrage: Nur 73 Prozent der Befragten verurteilen ohne Einschränkungen die Schüsse des Rechtsextremisten Luca Traini auf Einwanderer in der Stadt Macerata vor wenigen Wochen.

Die Radikalisierung der Ausländerdebatte und die unrealistischen Steuerversprechen sind typisch für diesen Wahlkampf, der sich von den realen Problemen des Landes fast vollständig abgekoppelt hat. Es werden nur noch negative Perspektiven entwickelt. Eine positive, zugleich realistische Zukunftsvision für das Land, das sich nur langsam von der längsten und schlimmsten Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg erholt, hat bisher niemand vorgestellt.

Das alles findet seine Entsprechung in den Wahlabsichten: Nur Tage vor der Wahl haben sich 40 Prozent der Wähler in Umfragen als "noch unentschieden" bezeichnet. Fest steht nur, dass die "Grillini" profitieren werden, obwohl sie selber in Sachen Europa, Euro und Immigration einen atemberaubenden Zickzackkurs fahren. Das ist aber auch schon die einzige halbwegs sichere Prognose – ansonsten ist die Ausgangslage so unübersichtlich und unberechenbar wie noch selten seit der Gründung der Republik 1946. Das liegt auch am neuen Wahlgesetz, einer Mischung aus Mehrheits- und Verhältnissystem, die das Erreichen einer regierungsfähigen Mehrheit durch Einzelne behindert – egal ob das nun der Mitte-rechts-Block von Berlusconi und Salvini ist, die allein antretenden Grillini oder das Mitte-links-Bündnis unter Führung von Ex-Premier Renzi.

Es wird also ziemlich sicher eine große Koalition von PD und Forza Italia geben müssen – auch wenn das aus wahltaktischen Gründen heute von allen kategorisch ausgeschlossen wird. Und die Wahrscheinlichkeit, schnell zu einer stabilen Regierung zu kommen, ist nicht höher als jene, dass man in Italien künftig 15 Prozent Flat Tax bezahlen wird. Also wenig über null. (Dominik Straub aus Rom, 1.3.2018)