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Die "Umweltprämien" der Autohersteller brachten dem Staat Millionen an zusätzlichen Steuereinnahmen.

Foto: dpa / Rolf Vennenbernd

Berlin/Wien – Viel war von den deutschen Autobauern bisher zum Dieselurteil nicht zu hören. Dem Verband der Automobilindustrie (VDA) erschien es wichtig klarzustellen, dass das deutsche Bundesverwaltungsgericht überhaupt kein "Muss" für Fahrverbote von Diesel-Pkws ausgesprochen habe.

Tatsächlich hatte das Gericht entschieden, dass Fahrverbote in Städten "generell zulässig" seien, um die EU-Grenzwerte bei Stickoxiden einzuhalten. Doch das reichte, um Deutschland und Österreich, ja halb Europa in Aufregung zu versetzen. Roms Bürgermeisterin Virginia Raggi von der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung, kündigte ein Dieselfahrverbot ab 2024 an. Ab dann werde es verboten sein, im Stadtzentrum ein Dieselfahrzeug zu nutzen, teilte sie über soziale Netzwerke mit.

Autobauer geben sich hart

In Deutschland steigt nach dem Urteil der Druck auf die Autobauer, doch technische Nachrüstungen auf ihre Kosten durchzuführen – was sie bisher kategorisch ablehnten. Druck der Politik gab es nicht, obwohl sie es in Reaktion auf den VW-Abgasskandal in der Hand gehabt hätte, indem jenen Fahrzeugen die Zulassung entzogen wird, die Grenzwerte notorisch nicht einhalten. "Die Autofahrer dürfen nicht die Zeche zahlen für das Versagen der Autobranche. Wir erwarten von der Automobilindustrie, dass sie Euro-5- und Euro-6-Fahrzeuge technisch nachrüstet. Alleinige Software-Updates reichen nicht aus", stellt Justizminister Heiko Maas (SPD) klar.

Die SPD-Fraktion im Bundestag fordert eine Erhöhung der Umtauschprämien für alte Dieselautos. "Die von den Herstellern gezahlten Kaufprämien für Neufahrzeuge müssen von den Unternehmen erhöht werden, da sich viele Besitzer älterer Fahrzeuge ansonsten keinen Neuwagen leisten können", heißt es in einem Brief der drei Fraktionsvizes Sören Bartol, Hubertus Heil und Matthias Miersch an die Bundestagsabgeordneten der SPD.

VW, Daimler, BMW und Ford wollen mit bis zu 10.000 Euro Prämie Autobesitzer dazu bringen, ältere Diesel zu verschrotten und sich sauberere Neuwagen zu kaufen. Die Aktion wurde verlängert.

Aus für Dieselprivileg

Autoprofessor Ferdinand Dudenhöffer vom CAR-Institut der Uni Duisburg-Essen fordert, die Steuervergünstigungen für Diesel zu beenden. Das würde acht Milliarden Euro bringen und "locker" reichen, um Nachrüstungen zu finanzieren. Dudenhöffer: "Damit wäre allen geholfen: Autobauern, Autohändlern, Städten und ihren Einwohnern und Dieselfahrern."

Am Mittwochnachmittag hatten bereits mehr als 155.00 Menschen eine Online-Petition der Bürgerplattform Campact und des ökologischen Verkehrsklubs VCD unterzeichnet. Sie fordern, dass die Autohersteller für die Nachrüstung zahlen müssen. Um Wildwuchs zu vermeiden, strebt Berlin deutschlandweite Regelungen für Fahrverbote an, die im Zuge einer ohnehin geplanten Änderung der Straßenverkehrsordnung 2018 verordnet werden könnten.

Österreich sieht Umweltministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) überhaupt nicht betroffen. Es gebe den "Luft-Hunderter", topografisch seien ohnehin nur Graz und das Inntal betroffen. Man arbeite daran, stärkere Anreize zu schaffen, um den Verkehr zu reduzieren, die Öffi-Nutzung attraktiver zu machen und den Ausbau der E-Mobilität zu forcieren. Den Steuervorteil für Dieseltreibstoff ("Dieselprivileg") will die Umweltministerin nicht antasten.

Nova-Einnahmen sprudeln

Autofahrerklubs fordern angesichts des Wertverlusts von Dieselfahrzeugen – den größten verzeichnen Unternehmen mit Leasing-Fuhrparks – Verschrottungsprämien für alte Dieselfahrzeuge, bei denen Staat und Händler mitzahlen, sowie die Nachrüstung der Abgasreinigung neuerer Kfz. Das Geld dafür wäre im Budget vorhanden: Dank Kaufanreizen wie der von Importeuren wie VW gebotenen "Umtauschprämien" sind die Einnahmen aus der Normverbrauchsabgabe (Nova) 2017 um knapp 52 Millionen auf 469,4 Millionen Euro gestiegen. Das sind laut Budgetdienst des Nationalrats fast 70 Millionen mehr als veranschlagt. (bau, ung, Reuters, 28.2.2018)