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Berlin/Wien – Die Mindestlöhne legen in Europa zwar zu, doch die Anpassungen werden teilweise durch die Teuerung abgeschöpft. Laut einer Untersuchung des gewerkschaftsnahen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) stiegen die Mindestlöhne mit Jahresbeginn EU-weit um 4,4 Prozent. Allerdings bleiben nach Abzug der Inflation nur 2,8 an realem Kaufkraftzuwachs. Das Institut betont, dass die durchschnittlichen Anhebungen durch starke Steigerungen in Osteuropa beeinflusst werden.

So machen die Zuwächse beim Mindestlohn in der Slowakei, in Tschechien, Bulgarien, Lettland oder Rumänien mehr als zehn Prozent aus. In Kroatien, Polen, Litauen, Estland und Ungarn liegt die Anpassung zwischen fünf und zehn Prozent. Deutschland tritt diesbezüglich auf der Stelle, im Nachbarland kommt es nur alle zwei Jahre zu Erhöhungen. Das ist aus zwei Gründen bemerkenswert: Erstens liegt der Mindeststundenlohn von 8,84 Euro unter dem vergleichbarer Länder wie Frankreich, Belgien, Irland oder Niederlande. Zweitens werden Einkommenszuwächse im unteren Bereich von Handelspartnern und internationalen Organisationen wie Währungsfonds und OECD als wichtiges Instrument gesehen, um makroökonomische Ungleichgewichte zu korrigieren. Vor allem der hohe Handelsbilanzüberschuss Deutschlands wird regelmäßig kritisiert. Höhere Löhne würden die Binnennachfrage stärken und somit die Importe erhöhen. Gleichzeitig würde ein Teil des deutschen Wettbewerbsvorteils reduziert. Insgesamt würde ein höherer Mindestlohn den Handelsbilanzüberschuss reduzieren, meinen Ökonomen.

Noch ein Indikator spricht für höhere Mindestlöhne in Deutschland: Sie machen dort nicht einmal 50 Prozent des Medianlohns aus – eine wichtige Schwelle dafür, ob das Erwerbseinkommen existenzsichernd ist. In Frankreich liegt der Mindestlohn bei 60 Prozent des Mittelwerts. Österreich, das einen Mindestlohn von 1500 Euro im Monat anpeilt, wurde nicht berücksichtigt, da es keine gesetzliche Regelung gibt. (as, 1.3.2018)