Ob ein Tabakschwärmerweibchen Eier ablegt (oben) oder mit seinem langen Rüssel Nektar trinkt (unten), wird von Düften und der Reaktion seines Riechhirns gesteuert.

Foto: Danny Kessler, MPI chem. Ökol.

Jena – Schwärmer sind eine rund 1200 Arten umfassende Schmetterlingsfamilie, die auch in Europa imposante Vertreter hervorbringt. So erreicht etwa der Totenkopfschwärmer, der durch seinen Auftritt in Thomas Harris' Roman "Das Schweigen der Lämmer" zu einer gewissen Berühmtheit gelangte, eine Flügelspannweite von über zwölf Zentimeter. Der Tabakschwärmer (Manduca sexta) ist etwas kleiner, bringt es aber immer noch auf bis zu zehn Zentimetern. Der sowohl in Nord- als auch in Südamerika weit verbreitete nachtaktive Schmetterling muss sich auf seinen ausgeprägten Geruchssinn verlassen, der ihn zu seinen Futterquellen führt: nektarhaltigen Blüten.

Einseitige Diät für die Raupen

Während die Nachtfalter in den duftenden Blüten verschiedener Pflanzen nahrhaften Nektar finden, gedeihen die Raupen der Tabakschwärmer nur auf Nachtschattengewächsen wie dem Tabak. Für die Eiablage verlassen sich die Weibchen ebenfalls auf den Geruchssinn. Ein Team um Sonja Bisch-Knaden vom Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena hat nun untersucht, ob es bereits auf der ersten Duftverarbeitungsstufe im Gehirn der Insekten erkennbare Muster gibt, die auf das Verhalten von weiblichen Faltern schließen lassen.

Die Wissenschafter haben im Rahmen ihrer Experimente die Reaktionen des Riechhirns lebender Nachtfalter auf 80 für die Tabakschwärmer wichtige pflanzliche Duftstoffe analysiert. Konkret bestimmten sie dafür die Konzentration von Kalzium-Ionen in den Nervenzellen, was deren Aktivität als Reaktion auf unterschiedliche Düfte sichtbar gemacht hat. Auf dieser Grundlage erstellten die Forscher eine funktionelle Landkarte der primären Untereinheiten des Insekten-Riechhirns.

Schwärmer im Windkanal

Anschließend testeten sie die 80 Düfte in Verhaltensexperimenten: Die Tabakschwärmerweibchen wurden in den Windkanal geschickt, wo sie von den Gerüchen auf Filterpapier angezogen wurden. Je nach Duft versuchten die Schwärmer, an dem Filterpapier zu trinken oder darauf Eier abzulegen. Auf diese Weise konnten die Wissenschafter die Aktivität im Riechhirn, die von einzelnen Düften ausgelöst wurde, mit dem Verhalten, das diese Düfte bewirken, vergleichen.

Dabei beobachteten sie Erstaunliches: "Wir hatten nicht erwartet, dass einzelne chemische Komponenten genauso attraktiv für futtersuchende Falter sein können wie ein komplexes Blütenbouquet. Da wir hungrige jungfräuliche Weibchen mit bedufteten weißen Filterpapieren testeten, rechneten wir außerdem nur mit Futtersuchverhalten. Wir waren daher erstaunt, dass die Tiere bei einigen wenigen Düften Eier an das Filterpapier legten, auch wenn diese natürlich unbefruchtet waren", erklärt Bisch-Knaden.

Frühe Weichenstellung für die richtige Reaktion

Vergleicht man das Verhalten, also Futtersuche oder Eiablage, mit den Aktivitätsmustern im Riechhirn der Tabakschwärmer, fällt auf, dass die Aktivität bestimmter Glomeruli, der Untereinheiten des Riechirns, mit jeweils einer der beiden Verhaltensweisen übereinstimmt. Von der Aktivität dieser Glomeruli hängt es ab, ob ein weiblicher Falter seinen Rüssel zur Nahrungsaufnahme ausrollt, oder mit den Beinen auf dem Filterpapier Halt sucht und den Hinterleib nach vorne biegt um Eier an das Papier zu kleben. "Das Aktivierungsniveau einzelner Glomeruli ist ausschlaggebend für das Verhalten der Tabakschwärmerweibchen. Offensichtlich wird bei der Verarbeitung von Düften im Insektengehirn schon auf einer sehr frühen Ebene entschieden, welches Verhalten dieser Duft auslösen wird", erläutert Koautor Bill S. Hansson.

In ihrem natürlichen Lebensraum in weiten Teilen Nord- und Südamerikas nutzen Tabakschwärmer eine Vielzahl an Blüten als Nektarquelle. Die typischen Falterblüten sind hell und haben in der Regel einen starken Duft, sodass sie für hungrige Insekten in der Dämmerung oder Dunkelheit leicht auffindbar sind. Der Nachwuchs überlebt hingegen nur auf wenigen Pflanzenarten, wie beispielsweise Tabak. Daher ist die Entscheidung für den richtigen Eiablageplatz überlebenswichtig für die Raupen, die aus den Eiern schlüpfen werden. Der Duft der Wirtspflanze gibt dafür den entscheidenden Hinweis. (red, 3.3.2018)