Wien – Die Erschaffung von Gold aus unedlen Metallen und die Erschaffung des "Steines der Weisen" bedeuteten für die Alchemie im Mittelalter das Opus magnum, das "große Werk". Beides ist bis heute auch mit modernsten Technologien nicht möglich.

Auf einem anderen Gebiet hat die Wissenschaft jedoch tatsächlich ein Opus magnum vollbracht: Die Erschaffung künstlicher Edelsteine, sogenannter Synthesen, würde jedem Alchemisten zum Ruhme gereichen. Zwar findet dabei keine Transmutation im alchemistischen Sinne statt: Ein Element wird nicht in ein anderes umgewandelt. In der jüngst neugestalteten Präsentationsvitrine der Edelsteinsammlung des Naturhistorischen Museums Wien (NHM) wurde den Synthesen nur eine kleine Ecke gewidmet. Von den meisten Besuchern werden sie wohl als "unecht" abschätzig betrachtet – zu Unrecht, wie die Gemmologin Vera Hammer festhält, sind doch die künstlichen Edelsteine in ihrer Chemie genauso gebaut wie ihre Vorbilder aus der Natur. Die echten Hightechprodukte sind nur mit verschiedenen mehr oder weniger aufwendigen Analysemethoden identifizierbar.

Die Synthesen-Ecke im neu präsentierten Edelsteinpult im NHM. Von oben nach unten: synthetischer Diamant, synthetischer Opal, synthetischer Korund, synthetischer Quarz, Lechleitner-Smaragde und Knischka-Rubine.
Foto: NHM Wien

Verkohlte Diamanten

Schon früh wurde experimentiert, wie man der Natur nachhelfen kann. Kaiser Franz I. Stephan von Lothringen scheiterte mit dem von ihm angeordneten Versuch, Diamanten miteinander zu einem größeren Stück zu verschmelzen. Die angekohlten Reste des Experiments sind ebenfalls in der Schausammlung zu bestaunen.

Kaiser Franz I. Stephan von Lothringen wollte mit einem Brennspiegel kleine Diamanten zu einem großen verschmelzen lassen. Das Ergebnis ist zwar ein Beleg für die Brennbarkeit von Diamanten, wird den Kaiser aber nicht erfreut haben.
Foto: NHM Wien, Alice Schumacher

Um 1837 gelang erstmals die Synthese von Rubin, mit Beginn des 20. Jahrhunderts startete die Produktion im großindustriellen Maßstab. Pionierarbeit auf diesem Gebiet wurde auch von zwei Österreichern geleistet: In den 1960er-Jahren entwickelte der Tiroler Johann Lechleitner die Hydrothermalsynthese von Smaragd. Dabei kristallisieren auf Beryll-Keimplatten Smaragdschichten mit mehreren Millimetern Dicke aus. 1978 gelang dem Steyrer Paul Otto Knischka die Hydrothermalsynthese von Rubin.

Im 19. Jahrhundert wurden in Frankreich erste millimetergroße Smaragdkristalle gezüchtet.
Foto: NHM Wien
Dem Tiroler Johann Lechleitner gelang es in den 1960er-Jahren als Erstem, brauchbare Smaragde mit der Hydrothermalsynthese für den Markt herzustellen. Bei seiner Methode kristallisiert ein mehrere Millimeter dicker Smaragdüberzug auf einer Beryll-Keimplatte aus. Die Apparatur, ein Autoklav, wird mit Berylliumoxid und Aluminiumoxid befüllt, dazu kommt wasserhaltiges Chromchlorid. Der obere Bereich wird mit Siliziumoxid befüllt.
Foto: NHM Wien
Paul Otto Knischka brachte seine mit der Hydrothermalsynthese hergestellten Rubine 1978 auf den Markt.
Foto: NHM Wien
Auguste Verneuil entwickelte 1902 das Flammenschmelzverfahren zur Herstellung von künstlichem Korund.
Foto: NHM Wien

Zu Vera Hammers Alltag gehört auch die Begutachtung diverser Schmucksteine auf Echtheit. Die Industrie ist der Gemmologin dabei oft einen Schritt voraus: Mit neuen Verfahren gelingt eine immer größere Annäherung an das Original, sogar natürliche Einschlüsse werden nachempfunden. Aber es wird nicht nur die Natur kopiert, auch gänzliche Neuschöpfungen sind möglich, wie zum Beispiel die Diamantimitation Cubic Zirkonia aus Zirkonoxid, nicht zu verwechseln mit dem natürlichen Mineral Zirkon. Zirkonia kann mit dem Zusatz verschiedener Seltenerdelemente ein breites Spektrum verschiedener Farbvarietäten aufweisen.

Cubic Zirkonia dient seit den 1970er-Jahren als Diamantimitation, hat mit Diamanten jedoch nichts gemein. In der Natur existiert kein gleichartiges Mineral. Die Farben erhält Cubic Zirkonia durch verschiedene Seltenerdelemente, bei der Produktion werden Temperaturen von 2.800 °C erreicht.
Foto: NHM Wien

In der farblosen Variante sind die Steine beim bloßen Augenschein nicht vom Diamanten unterscheidbar. Da sie jedoch im Gegensatz zum Diamanten schlechte Wärmeleiter sind und sich in Lichtbrechung und Dichte von ihrem Vorbild unterscheiden, besteht keine Verwechslungsgefahr.

Die Verwendung der Synthesen für Schmuck stellt vielfach nur ein Nebenprodukt der Industrie dar. Für die Nutzung in einem medizinischen Lasergerät ist eine weitaus höhere Reinheit vonnöten, als die Natur hervorzubringen vermag. Aber auch aus der Elektronik und Technik sind die künstlichen Steine nicht mehr wegzudenken.

Gemmologin Vera Hammer mit einem synthetischen Rubin für einen Laser. Unter UV-Licht zeigt sich eine rote Fluoreszenz.
Foto: NHM Wien

Bei der Verwendung als Schmuckstein geben jedoch viele Menschen immer noch einem natürlichen Edelstein den Vorzug, obwohl sie niemals in der Lage wären, einen Unterschied festzustellen. Doch ganz abgesehen vom Preis spricht einiges für die synthetischen Glitzersteine, die sich ein höheres Ansehen verdienen würden. Während die Gewinnung natürlicher Steine häufig mit der Ausbeutung von Menschen, oftmals von Kindern, verbunden ist, braucht man sich bei einem synthetischen Edelstein diesbezüglich keine Sorgen zu machen. Auch die Natur wird beim Abbau durch den Einsatz schweren Geräts und von Chemikalien in Mitleidenschaft gezogen. Derlei Umweltschäden treten bei einer Produktion im Labor in dieser Form natürlich nicht auf. In den USA entwickelte sich in den vergangenen Jahren ein Trend zu ethisch unbedenklichem Schmuck. Die Steine werden zum Teil sogar als "vegan" angepriesen und spielen in der Esoterik eine Rolle.

Synthetische Spinelle sehen aus wie Aquamarin, leuchten unter UV-Licht jedoch wegen ihres Kobaltgehalts rot auf. Auch sie werden mit dem Flammenschmelzverfahren erzeugt.
Foto: NHM Wien

Auch ein anderer Kaiser hatte übrigens diamantenes Pech. Als Karl I. vor hundert Jahren Österreich ins Schweizer Exil verlassen musste, nahm er jene Stücke aus der Schatzkammer mit, die zum Privatbesitz der Familie Habsburg gehörten – darunter den berühmten Florentiner, einen gelben, tropfenförmigen Diamanten. Da Karl Geld benötigte, um wenigstens in Ungarn den Thron zurückzubekommen, versetzte er den Schmuck. Der Florentiner ist seit 1921 verschollen, im NHM ist eine Glaskopie zu sehen. (Michael Vosatka, 2.3.2018)

Der "Florentiner" gehörte ursprünglich Herzog Karl dem Kühnen von Burgund. Über Umwege gelangte er in den Familienbesitz der Habsburger. Karl I. nahm ihn mit ins Exil, wo der Stein schließlich verschwand. Im NHM ist eine Glaskopie zu sehen, die auf einem Abguss des Originals basiert.
Foto: NHM Wien, Alice Schumacher