Beim Streitthema kostenpflichtige Nachmittagsbetreuung in Kindergärten verweist Landesrätin Christine Haberlander auf eine geplante Evaluierung im Sommer – immer und immer wieder.

Foto: Alexander Schwarzl

Seit 1. Februar ist die Nachmittagsbetreuung in Kindergärten in Oberösterreich kostenpflichtig. Die schwarz-blaue Landesregierung hatte dies im Dezember beschlossen. Was folgte, war Kritik: von betroffenen Eltern, oder von Gemeinden, die aufgrund der hohen Zahl an Abmeldungen Kindergartengruppen schließen mussten. Die zuständige ÖVP-Landesrätin Christine Haberlander verteidigt im STANDARD-Interview die Maßnahme. Genaue Infos über die Anzahl der Abmeldungen sind ihr aber nicht bekannt.

STANDARD: Fühlen Sie sich eigentlich als Teil der "neuen" ÖVP in Türkis, oder sehen Sie für Oberösterreich klassisch schwarz?

Haberlander: Es gibt da für mich keinen Unterschied. Ich bin seit mehr als zwanzig Jahren bei der ÖVP, und da war immer eine Bewegung und Veränderung drinnen. Und der Sebastian Kurz hat, insbesondere weil er meiner Generation angehört, noch einmal einen anderen Drive. In Oberösterreich greift auf jeden Fall die "neue Zeit".

STANDARD: Geprägt war Ihr erstes Jahr in der Politik vor allem von einem massiven Gegenwind, insbesondere bei der Wiedereinführung des kostenpflichtigen Kindergartennachmittags. Hat Sie die Härte der Landespolitik überrascht – im Ennser Gemeinderat geht es wohl beschaulicher zu, oder?

Haberlander: Sie haben den Ennser Gemeinderat noch nicht kennengelernt. Aber im Ernst: Den Schritt in die Landespolitik habe ich noch keinen Tag bereut. Es war mir bereits im Vorfeld eines klar: Die Politik ist kein Ponyhof. Und es wäre daher auch gelogen zu sagen, ich durchlebe jeden Tag 24 Stunden des Glücks. Aber ich stehe zu meinen Entscheidungen. Und Kritik ist mir wichtig. Ich bin auch kein Mensch, der drüberfährt und dem egal ist, was links und rechts passiert.

STANDARD: Da werden sich gerade im Zuge der Gebührendebatte für den Kindergarten wohl einige Kritiker finden, die Sie aber genau so sehen.

Haberlander: Das mag so sein.

STANDARD: Bei Ihrem Amtsantritt im April des Vorjahres haben Sie gesagt, Ihnen sei "die Wahlfreiheit – Beruf, Beruf und Familie oder Familie – wichtig". Hier würden Sie in Oberösterreich noch Handlungsbedarf sehen: "Es kann nicht sein, dass, wenn man arbeiten möchte, nicht arbeiten gehen kann." Sowohl, was die Öffnungszeiten, als auch, was die Zahl der Plätze angehe, "müssen wir etwas tun". Sie haben etwas getan und den kostenpflichtigen Nachmittag eingeführt. Hat das die Wahlfreiheit erhöht?

Haberlander: Wir haben in den letzten Jahren im Kinderbetreuungsbereich massiv investiert und tun das auch weiterhin – die Summe wurde in den letzten zehn Jahren fast verdreifacht ...

STANDARD: Ihre Leistungsbilanz in Ehren, aber die Frage war, ob der kostenpflichtige Nachmittag die Wahlfreiheit insbesondere für Frauen erhöht hat?

Haberlander: Wie sich die Nachmittagsgebühren auswirken, lässt sich jetzt noch nicht sagen. Aber Familien haben die Wahlfreiheit, die Kinder in den Kindergarten zu geben oder daheim zu betreuen. Wir werden das im Sommer evaluieren. Wir wissen aber aus den jüngsten Erhebungen, dass 57 Prozent der Kinder bis 13.00 Uhr im Kindergarten sind. Und wir sind schlussendlich das achte Bundesland, das nun – sozial gestaffelte – Beiträge eingeführt hat.

STANDARD: Wie hoch ist die Zahl der Abmeldungen in Oberösterreich?

Haberlander: Dazu kann ich Moment nichts sagen, weil wir schlicht die Zahlen nicht kennen.

STANDARD: Sie werden doch als zuständige Landesrätin mehr als einen Monat nach der Einführung der Gebühren einen Überblick hinsichtlich der Abmeldungen haben.

Haberlander: Die Kinderbetreuung ist Sache der Gemeinden, und ich gehe davon aus, dass die ein bedarfsgerechtes Angebot anbieten.

STANDARD: Dann darf ich Ihnen hinsichtlich der Zahlen helfen: In der Stadt Wels etwa sind bereits vor der Einführung der Nachmittagsgebühren 184 von 629 Kindern vom Kindergarten abgemeldet worden, in Steyr ist die Zahl der Kinder um 50 Prozent zurückgegangen, die nach 13 Uhr noch einen Kindergarten besuchen. Die Angst der Gebührengegner scheint sich zu bestätigen, oder?

Haberlander: Ich kenne diese Zahlen nur aus den Medien. Was ich aber weiß, ist, dass wir aktuell mehr als 60 Pädagogen und 20 Helfer suchen.

STANDARD: Oberösterreichs Gemeindebundpräsident Johann Hingsamer (VP) kritisiert, dass in bis zu zehn Prozent der Landgemeinden die Nachmittagsbetreuung zusammengebrochen sei. Können Sie diese Zahlen bestätigen?

Haberlander: Nein, kann ich nicht. Eine umfassende Erhebung hat in diesem Monat noch nicht stattgefunden. Uns liegen aktuell noch keine überprüften Daten vor. Wie gesagt, wir evaluieren im Frühsommer.

STANDARD: Es kann doch bitte nicht sein, dass von politischer Seite eine so weitreichende Maßnahme gesetzt wird, dann aber ein Überblick völlig fehlt.

Haberlander: Im Gegenteil, wir werden flächendeckend erheben und evaluieren. Aber es braucht eben auch Zeit, um die Auswirkungen zu sehen und zu schauen, wie der Bedarf ist.

STANDARD: Ein Beispiel: Eine Mutter hat sich an den Standard gewandt und erzählt, dass in ihrer Gemeinde der Kindergarten am Freitag um 14.00 schließt. Die Gebührenpflicht gilt aber ab 13.00, das heißt, die Frau zahlt einen vollen Nachmittag. Das sind deutliche Schwachstellen im System, oder?

Haberlander: Natürlich gilt es noch an der einen oder anderen Schraube zu drehen – darum auch die Evaluierung im Sommer.

STANDARD: Kritiker sehen vor allem die Umsetzung eines gestrigen Gesellschaftsbildes: Der Mann ist der Ernährer, die Frau soll nur ein bisschen Teilzeit arbeiten und ansonsten für die Kinder da sein. Was entgegnen Sie da?

Haberlander: Es gibt nichts, was zukunftsweisender ist, als keine Schulden zu machen. Und die Möglichkeit, dass Kinder von ihren Eltern versorgt werden, wenn die es wollen, ist doch eine schöne Möglichkeit. (Markus Rohrhofer, 2.3.2018)