Banquo (li., Jongmin Park) und Macbeth (Zeljko Lucic), nach der siegreichen Schlacht.

Foto: Michael Poehn

König: Das war im Schottland des 10. und des 11. Jahrhunderts kein Job für Warmduscher. In der Regel musste man für diesen Posten morden – und verlor ihn dann wieder durch die eigene Ermordung. William Shakespeare machte anhand des Beispiels von Herrn Macbeth auf den hohen Stressfaktor dieses Berufsbildes aufmerksam – ein Stressfaktor, der auch das familiäre Umfeld des Betroffenen in den Wahnsinn treiben konnte.

Giuseppe Verdis Veroperung der Sozialstudie des Briten ist aktuell wieder an der Wiener Staatsoper zu erleben, und Tatiana Serjan ist als Lady Macbeth natürlich wieder irre gut. Ihr Sopran ist ein Elementarereignis, er strahlt hell wie eine lodernde Fackel. In ihrem Vokalgebaren verbindet die Russin die Wendigkeit eines Sportflugzeugs mit der Schubkraft eines Jumbojets. Bitte anschnallen!

Abgedunkelte Wärme

In diesem Macbeth der zarten Töne war Serjan für den kräftigen Pinselstrich und die satten Farben zuständig. Doch selbst bei höchster Belastung und in exponierter Lage wurde ihr Timbre nie stählern oder grell, es blieb immer eine abgedunkelte Wärme und Weichheit beigemischt. Dass Serjan bei der Wahnsinnsszene nicht mehr zulegen konnte, weil die Intensität ihrer Darstellung von Beginn an extrem hoch war – geschenkt.

An Serjans Seite war Zeljko Lucic für die sanfteren, ausgewogeneren Töne zuständig. Der Serbe gestaltete die Partie mit seinem karamellweichen Bariton bedächtig, er fesselte nicht mit seinen dramatischen Spitzentönen – dafür waren sie zu welk -, sondern mit seinen Decrescendi und Piani. Eindrücklich und erfrischend der prägnante, klar konturierte Bass von Jongmin Park (als Banquo), kraftvoll Murat Karahan (als Macduff).

Nuancierte Zeichnung

Bei seinem Hausdebüt gelang Giampaolo Bisanti am Dirigentenpult des virtuosen Staatsopernorchesters ein großer Wurf: eine delikate, nuancierte Zeichnung des Werks, die großen Gemälde der Aktschlüsse inklusive. Eine Messerspitze mehr an Brutalität könnte sich Italiener beim Macbeth noch erlauben. Empfehlung! (end, 1.3.2018)