US-Schamane Daniel Higgs (links) und The Skull Defekts aus Schweden: Schönheit ist eine Frage des Hörsturzes.

Foto: The Skull Defekts

Wien – Wenn man Rockmusik jenseits von Rockmusikern und breitbeinigen Klischees denkt, ist Rockmusik natürlich nicht tot. Sie hat diese Welt voller Bluejeanshosen, Angeber-T-Shirts und Wavebreaker-Tickets für Konzerte in der Stadthalle mit Metallica und Campino nur verlassen und ist an die Peripherie gezogen. Dort auf dem Schrottplatz auf einer richtig unguten Häuslbühne hat sie es sich zwischen Bergen aus ausrangierten Verstärkern, einer menschenunwürdigen Soundanlage, einem verbeulten Schlagzeug und durchgebrannten Verzerrerkasteln so richtig ungemütlich gemacht.

Es gibt auch Gitarren. Sie klingen wie eine Mischung aus kranker Kuh, japanischer Filmmusik mit Menschen im Mittelpunkt, denen unvermutet Kabel und Metallgestänge aus dem Körper wachsen (Tetsuo – The Body Hammer!) und einem Klappcomputer, in dem gerade ein Video von Sonic Youth läuft, während man ihn in einer Fritteuse versenkt.

Thrill Jockey Records

Schön hört sich dieser Rock natürlich nicht mehr an. Wobei Schönheit eine Frage des Hörsturzes ist. Immerhin gilt die erste Liebe eines Kindes zur Musik bekanntlich nicht dem Klang, sondern dem Geräusch. Bei entsprechender Lautstärke und Entschlossenheit eines Rockmusikers weniger zur Weltflucht denn zum Angriff auf alles, was nicht sein Fall ist, kommt ein derartig schöner Krach heraus, dass man vor lauter Glück am liebsten alles rundherum sofort kaputthauen möchte.

Das ist jetzt natürlich eine etwas positiv gefärbte Sicht auf die Rockmusik. Natürlich kann man das auch anders sehen, aber: Ach, haltet doch einfach eure Klappe!

Thrill Jockey Records

The Skull Defekts sind so eine späte Einsicht in die Tatsache, dass sich Geschichte nicht wiederholt. Sie findet bloß keinen Ausweg. Nach über zehn Jahren im entbehrungsreichen Geschäft des musikalischen Undergrounds zieht sich die in Göteborg beheimatete Band um Joachim Nordwall und Henrik Rylander nun zurück. Im früheren Leben war Letzterer übrigens bei den psychotischen Stooges-Verehrern Union Carbide Productions beschäftigt, die man sich als Iggy Pop mit Wikingerhelm und schlechter Alkoholverträglichkeit kombiniert mit Speed vorstellen muss.

Nach einer segnungsreichen Zusammenarbeit mit dem irren US-amerikanischen Schamanen Daniel Higgs von Lungfish am Mikrofon (unter anderem auf dem besten Album der Welt namens Dances in Dreams of the Known Unknown von 2014) veröffentlichen The Skull Defekts also ihren Schwanengesang.

stubnubs

Minimalistische, hart gedroschene Gitarrenriffs ohne Schnick und Schnack, tribalistische, unter anderem auf Plastikkanistern getrommelte postapokalyptische Mad-Max-Stammestänze und statt des irgendwie verschollenen Daniel Higgs Nordwall und Mariam Wallentin vom schwedischen Duo Wildbirds & Peacedrums am raunenden Sprechgesang machen das schlicht The Skull Defekts betitelte Album zum zweitbesten Album der Welt. Das letzte Stück heißt absolut richtig The Beauty of Creation and Destruction. Es klingt mit Klavier und Melodie (!) wie Queens of the Stone Age in gut. Schluss jetzt! (Christian Schachinger, 2.3.2018)