Die Show ist wie immer großartig. Vor Theresa Mays angeblich wegweisender Brexit-Rede heute, Freitag, gab sich die Pressestelle der Londoner Downing Street wie gewohnt geheimnisvoll. Wann und wo, wer weiß das schon?

Immerhin ist schon ziemlich viel bekannt davon, was die Premierministerin sagen wird. Seit Wochen geistert ja die Theorie von den "Three Baskets" – den drei Körben – durch London. In diesen Körben wollen die britischen Minister, so sickerte es vergangene Woche aus der Kabinettsklausur durch, die diversen Zweige der Volkswirtschaft unterbringen.

Der erste Korb, darunter die Themenkreise Arzneimittel und Automobile, soll jene Branchen enthalten, die sich auch zukünftig an die Regeln des EU-Binnenmarktes halten wollen oder müssen. In Korb Nummer zwei steckt dann beispielsweise die Finanzindustrie: Die Regelwerke des Brüsseler Klubs und der einsamen Insel sollen sich ähneln, in freundschaftlichem Einvernehmen neuen Herausforderungen angeglichen werden, aber eben nicht übereinstimmen.

Korb Nummer drei ist einstweilen nur ein Körbchen: Dorthin gehören nämlich all jene echten oder vermeintlichen Zukunftsbranchen wie etwa Roboter, die dereinst unser Leben bestimmen werden. Da soll jeder machen dürfen, was er will.

Diese Drei-Körbe-Theorie wird ergänzt von dem wunderbar interpretierfähigen Marketing-Ausdruck "Managed Divergence". Was auf Deutsch übersetzt "gelenkte Abweichung" heißt, klingt auf dem europäischen Festland verdächtig wie "Rosinenpicken" – also genau das, was die 27 verbleibenden EU-Partner den Briten ganz gewiss nicht gestatten wollen. "Three Baskets", seufzt die Financial Times, "klingt wie der Name eines Pubs – und enthält etwa ebenso viel klares Denken."

Machterhalt

Ob Theresa May das vielleicht selbst ahnt oder sogar weiß? Die 61-jährige konservative Politikerin hält sich ja nicht durch luzides strategisches Denken oder hervorragende politische Kommunikation seit anderthalb Jahren in ihrem Amt. Korrekterweise kann man sie nicht einmal als Regierungschefin bezeichnen – schließlich sprechen Chefinnen und Chefs gelegentlich Machtworte und feuern jene, die ihnen im Weg stehen. Regierungskoordinatorin wäre wohl die beste Bezeichnung: May hält ganz schlicht und einfach ihre Partei an der Macht.

Und da im schrumpfenden Häuflein der Konservativen (Durchschnittsalter: 57 oder 72 Jahre, je nach Schätzung) ebenso wie bei den nordirischen Unionisten, die Mays Minderheitsregierung stützen, die EU-Hasser in der Mehrheit sind, hat sich die frühere Anhängerin des Verbleibs in der Union deren Ideologie zu eigen gemacht. Diese lautet: Austritt aus Binnenmarkt und Zollunion, die schärfste aller Brexit-Versionen. In Irland steht die hart erkämpfte Entspannung zwischen der Republik im Süden und dem britischen Nordirland auf dem Spiel. In Schottland, wo 62 Prozent für den EU-Verbleib stimmten, droht die Regionalregierung mit der Verweigerung ihrer Zustimmung zu Mays Brexit-Deal – was eine Verfassungskrise auslösen würde.

Für ganz Großbritannien deuten alle glaubwürdigen Szenarien auf erhebliche wirtschaftliche Einbußen hin. All dies ignoriert die Regierungskoordinatorin. Sie handelt nach dem Grundsatz: Hauptsache, die Tories halten zusammen – mag das Land auch daran zugrunde gehen. (Sebastian Borger, 1.3.2018)