Lebenselixier rote Blutkörperchen: Forscher versuchen sie zu durchschauen.

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Innsbruck – Eisen braucht der Körper. Im menschlichen Organismus ist das chemische Element Fe (lateinisch Ferrum) zwar nur in Spuren vorhanden. Dennoch ist es zellbildend und für den Sauerstofftransport durch die roten Blutkörperchen unabdingbar. Diese rundlichen Zellen mit einer mittigen Einbuchtung bestehen zu 33 Prozent aus dem rotem Blutfarbstoff Hämoglobin. Der eisenhaltige Proteinkomplex ist "gierig" nach Sauerstoff. Daraus ergibt sich die Hauptaufgabe der roten Blutkörperchen: Sauerstoff aufnehmen und an die Zellen des Körpers transportieren.

Die Blutzellen werden im Knochenmark gebildet und in Milz und Leber abgebaut. Fehlt ihnen das Hämoglobin, fehlt auch der Sauerstoff. Der Mensch ist unterversorgt und fühlt sich müde und abgeschlagen; Eisenmangel macht sich bemerkbar. Eine Blutuntersuchung zeigt dann einen stark verminderten Hämoglobinwert. Diagnose: Blutarmut, auch Anämie genannt.

Erhöhter Eisenbedarf

Häufig tritt eine Eisenmangelanämie in der Wachstums- und Muskelaufbauphase von Jugendlichen oder bei Frauen im gebärfähigen Alter auf. Einem Eisenmangel gehen meist akute oder chronische Blutung voraus. Menstruation, Nasenbluten, Hämorrhoiden oder eine Magenschleimhautentzündung können Gründe für den Verlust von Blut und Eisen sein. Überdies erhöht sich der Eisenbedarf bei Schwangeren infolge der entstehenden Blutversorgung eines Ungeborenen. Dieses Defizit muss über die Nahrung in Form von Fleisch und Gemüse ausgeglichen werden.

Eisen wird nur im Zwölffingerdarm aufgenommen. Im Körper eines Erwachsenen befinden sich vier Gramm Eisen. Hämoglobin macht 60 Prozent dessen aus, zehn bis 15 Prozent befinden sich als Myoglobin im Muskel, das ebenfalls für den Sauerstofftransport zuständig ist. Der Rest tritt als Speicherform Ferritin oder in der Blutflüssigkeit als Transferritin in Erscheinung. Der tägliche Eisenbedarf vor allem für die Blutbildung beträgt ca. 25 Milligramm und wird überwiegend durch Eisenrückgewinnung aus alten Blutzellen gedeckt.

Chronische Erkrankungen

Mangelt es nicht nur an Eisen, sondern kommt es zu Problemen im Blutreifungsprozess, kann es ebenfalls zu einer Anämie kommen. Liegt der Blutarmut eine chronische Erkrankung zugrunde, so spricht man von einer Anämie chronischer Erkrankungen (ACD). Auch als Entzündungsanämie bekannt, ist sie hinter der Eisenmangelanämie die zweithäufigste Ursache für Blutarmut. Sie folgt auf Infektionen, Krebs oder Autoimmunerkrankungen.

Günter Weiss von der Universitätsklinik Innsbruck geht Fragen der Entstehung und Behandlung der ACD nach. Ende Jänner dieses Jahres startete dazu das insgesamt sechste Christian-Doppler-Labor an der Med-Uni Innsbruck. Unterstützt wird das siebenjährige Forschungsprojekt zu gleichen Teilen vom Wirtschaftsministerium und dem Industriepartner AOP Orphan Pharmaceuticals AG aus Wien.

Immunsystem enthält Erregern das Eisen vor

Noch unklar ist bei den weltweit zwei Milliarden Menschen, die an Anämie leiden – darunter eine Million Österreicher -, welche Mechanismen im Körper den Eisenstoffwechsel bei Entzündungsreaktionen umprogrammieren. "Durch Entzündungen wird das Eisen in Körperfresszellen gespeichert. Zwar ist ausreichend Eisen im Körper vorhanden, es wird der Blutbildung aber nicht zur Verfügung gestellt. Das Knochenmark kann keine Erythrozyten mehr produzieren", sagt Weiss. Das Zurückhalten des Eisens als Immunreaktion kann vorteilhaft sein. Nämlich dann, wenn eingedrungene Viren und Bakterien wegen Eisenmangels selbst nicht mehr wachsen.

Diese Entfernung von Eisen aus der Zirkulation wird als ein Mechanismus des Immunsystems verstanden. Er limitiert den essenziellen Wachstumsfaktor Eisen für Mikroben und hemmt damit das Wachstum dieser Krankheitserreger. "Während der Entzündung blockiert das vermehrt gebildete Eisenhormon Hepcidin den Transfer von Eisen aus dem Darm oder aus Immunfresszellen und führt damit zu einer Verminderung des zirkulierenden Eisens, was die Blutbildung hemmt", ergänzt Weiss.

Wachstumsfaktor für Mikroben

In vergleichenden Analysen erforscht das Team des CD-Labors die Wirkmechanismen und therapeutische Effektivität verschiedener oraler und intravenöser Eisenpräparate bei entzündungsbedingter Anämie. Ziel ist es, eine optimale Therapie für Patienten in Abhängigkeit der entsprechenden Grunderkrankung zu finden. Essenziell ist dabei die Identifizierung von Biomarkern. Das sind messbare Parameter (z. B. Hämoglobinwert), die wesentlich für die Diagnose und Therapie eines Patienten sind.

Da Eisen ein bedeutender Wachstumsfaktor für die meisten Mikroben ist, sollen auch Effekte der Eisentherapie auf das Immunsystem untersucht werden. Weiss: "WHO-Studien in Asien und Afrika zeigten, dass unter Eisenanreicherung in der Nahrung mehr Kinder starben als ohne, was auf eine vermehrte Häufung von Malaria und schweren bakteriellen Infektionen zurückzuführen war." In diesem Zusammenhang untersuchen die Innsbrucker Forscher den Effekt von Eisengabe und Limitierung auf den Verlauf von bakteriellen Infektionen.

"Unklar ist auch der Effekt der Eisensubstitution auf den Verlauf einer Tumorerkrankung. Zumal bösartige Zellen Eisen für ihr Wachstum benötigen. Schließlich wollen wir den Patienten mit dem Eisen keinen Schaden zufügen. Wir fanden um die Tumorzellen herum sehr eisenreiche Zellen", sagt Weiss. "Wir wissen nicht, ob sie dem Tumor das Eisen entziehen oder sie vom Tumor für das eigene Wachstum manipuliert werden."

Erforscht werden diese Fragen sowohl in Zellen, als auch an Mäusen und am Menschen – mit dem Ziel, dass ein besse- res Verständnis des Eisenmetabolismus dazu beiträgt, neue und individualisierte Behandlungsmethoden zu entwickeln. (Sandra Fleck, 4.3.2018)