Wenn Großunternehmen versuchen würden, alle ihre Innovationen allein durchzuführen.

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Wien – Es muss ein wohlüberlegter Schritt sein, wenn ein Großunternehmen ein neues Produkt auf den Markt bringt. Fehler können sich Konzerne nicht leisten. Und vielleicht unerwarteterweise spielt Geld nicht die zentrale Rolle. Klarerweise ärgert der finanzielle Ausfall eines misslungenen Projekts einen Unternehmer, doch wirklich schmerzhaft wird es beim Imageschaden. Man erinnere sich an das "New Coke"-Fiasko von Coca-Cola. Die veränderte Geschmacksrezeptur Anfang der 1990er-Jahre ging als eines der größten Vermarktungsdesaster in die Werbegeschichte ein.

Zu viel Zeit, Geld und Energie haben große Unternehmen in den Aufbau der eigenen Marke gesteckt. Gleichzeitig kann man es sich als Corporate nicht leisten, auf der Stelle zu treten und sich technologischen Entwicklungen nicht anzupassen.

An dieser Stelle rücken Start-ups ins Rampenlicht. Jungunternehmern fällt es verhältnismäßig leicht, ihre Ideen und Ansätze zu testen. Die Testphase findet bereits am Markt statt, Kunden geben Feedback über das oftmals unfertige Produkt. "Trial and Error" – ein fortlaufender Prozess in der Start-up-Szene. Großunternehmen agieren in weit langsameren Zyklen. Somit erscheint es nur logisch, dass Corporates an Kooperationen mit kleinen, agilen Firmen interessiert sind. Und vice versa. Denn Start-ups erhalten im Gegenzug Zugang zu Expertise, Kapital und Kunden.

Der STANDARD hat bei drei heimischen Großunternehmen nachgefragt, wie deren Zusammenarbeit mit Start-ups aussieht.

Projektarbeit

"Ohne die Kleinen schafft es heutzutage kein Großer mehr", sagt Alexander Bockelmann, Chief Digital Officer von Uniqa. Rein intern getriebene Innovation sei dadurch beschränkt, dass es schwer sei, aus den eigenen Denkmustern auszubrechen, meint der 44-Jährige. Uniqa setzt Start-ups gerne als Entwicklungspartner für die digitale Optimierung der eigenen Geschäftsmodelle ein. Angeheuert werden die jungen Teams meist auf Projektbasis.

"Wir lassen den Teams freie Hand. Will man einem Start-up die Unternehmenskultur aufzwingen, verliert es seine Stärken", so Bockelmann. Vorrangig geht es um vier Geschäftsfelder: Gesundheit, Mobilität, Wohnen und Finanzen. Die Uniqa tritt auch als reiner Finanzinvestor für Start-ups auf. "Wir investieren bevorzugt in der Frühphase in Unternehmen mit skalierbaren Geschäftsmodellen. Die Summen bewegten sich bisher meist um die 500.000 Euro", so Bockelmann.

Accelerator

In einem Accelerator-Programm sollen Start-ups durch gezieltes Coaching und fortlaufendes Feedback in der frühen Wachstumsphase unterstützt werden. Die Intention ist, ein Geschäftsmodell innerhalb eines gewissen Zeitraumes zu testen und weiterzuentwickeln. Das Ziel: marktreife Produkte oder Dienstleistungen. Mit Slax hat die Wirtschaftsprüfungskanzlei LeitnerLeitner eine eigene Abteilung geschaffen, die sich diesem Thema widmet.

"Slax macht aus Start-ups Unternehmen, bei denen die Zahlen stimmen", beschreibt Slax-Geschäftsführer Florian Zeitlinger das Programm. Bis Mitte März läuft die Anmeldungsphase für die vierte Runde. 15 Coaches und 80 Mentoren werden versuchen, in sechs Monaten festgesetzte Ziele zu erreichen. Alle ein bis zwei Wochen wird evaluiert. Das Programm ist für die Teilnehmer kostenlos. Nur bei Eintritt vereinbarter Erfolgsfälle fallen Kosten an. Slax beteiligt sich nach eigenen Angaben nicht an den Start-ups.

Challenge

Regelmäßig veranstalten Firmen Start-up-Wettbewerbe, um Zugang zu neuen Technologien oder möglichen Partnern zu finden. Der Energiekonzern Wien Energie hat sich mit der "Innovation Challenge" für einen derartigen Wettbewerb entschlossen. Der Energieanbieter gibt Themenbereiche vor, und Start-ups versuchen mit der eigenen Idee zu überzeugen. Bei der Challenge 2017 ging es unter anderem um E-Mobilität, Anlagenwartung und den Einsatz von Augmented Reality.

Nach einer ersten Auswahlrunde arbeiten Wien-Energie-Mitarbeiter gemeinsam mit Start-ups acht Wochen intensiv an einem Produkt. Sieger darf sich nennen, wer nach einer Abschlusspräsentation weiter mit dem Konzern zusammenarbeitet. "Aufgrund der hohen Produktqualität haben wir mehr Projekte umgesetzt, als geplant war", sagt Wien-Energie-Geschäftsführer Michael Strebl.

Eine smarte Drohne zur Inspektion von Anlagen, der Chatbot "Bottina" auf der Firmenwebsite und eine Augmented-Reality-Brille für einen raschen Zugang zu Expertenwissen gehen auf den Wettbewerb zurück. 2018 veranstaltet der Energieanbieter wieder eine Challenge. (Andreas Danzer, 3.3.2018)