Berlin – Spitzenpolitiker der SPD haben mit Erleichterung auf die Zustimmung der Parteibasis zu einer neuen Großen Koalition reagiert. Die designierte Parteivorsitzende Andrea Nahles sagte, sie sei "froh" über den Ausgang des Mitgliedervotums. "Es waren einige überrascht, dass es jetzt so deutlich war", fügte die Chefin der SPD-Bundestagsfraktion mit Blick auf die Zustimmung von rund 66 Prozent hinzu.

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil schrieb auf dem Onlinedienst Twitter: "Danke für die leidenschaftliche Debatte der letzten Wochen." Jetzt gelte es, vernünftig zu regieren und die SPD zu erneuern.

Merkel freut sich auf Zusammenarbeit

Auch CDU-Chefin Angela Merkel hat sich erleichtert über die unerwartet deutliche Zustimmung der SPD-Mitglieder gezeigt. "Ich gratuliere der SPD zu diesem klaren Ergebnis und freue mich auf die weitere Zusammenarbeit zum Wohle unseres Landes", twitterte die CDU im Namen Merkels.

"Es ist gut, dass nun Klarheit bei der SPD herrscht und sie sich Monate nach der Bundestagswahl für das Eintreten in eine neue Regierung entschlossen hat", erklärte die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner in Berlin. "Das ist in dieser Situation das einzig Richtige und Verantwortungsvolle."

Deutschland und Europa warteten auf eine stabile Regierung. "In Zeiten der schnellen Veränderungen, auch auf europäischer Ebene, ist Verlässlichkeit gefragt", erklärte Klöckner. Für CSU-Chef Horst Seehofer ist das Ergebnis "eine gute Grundlage für eine stabile Bundesregierung",

"Froh über das Ergebnis" ist auch der frühere SPD-Vorsitzende Martin Schulz, wie er der "Süddeutschen Zeitung" sagt. "Es kann Deutschland und Europa nach vorne bringen und die SPD stärken."

EU-Kommission begrüßt GroKo-Ja

Die EU-Kommission hat die Zustimmung der SPD-Basis zu einer Neuauflage der Großen Koalition ebenfalls begrüßt. "Glückwunsch an meine SPD-Freunde für ihre verantwortungsvolle und entscheidende Abstimmung", schrieb Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici am Sonntag im Kurzbotschaftendienst Twitter. Deutschland sei jetzt bereit, sich für ein "stärkeres Europa" einzusetzen, fügte der Franzose hinzu.

Auch der Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermanns, reagierte erleichtert. "Unsere Genossen haben sich eindeutig für GroKo entschieden", schrieb der Stellvertreter von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bei Twitter. "GroGO! für Solidarität in D und EU!", fügte Timmermanns hinzu.

Die EU-Kommission sowie insbesondere der französische Präsident Emmanuel Macron hatten umfangreiche Vorschläge für die Reform der EU und der Eurozone vorgelegt. Ohne eine handlungsfähige deutsche Regierung lagen die Pläne auf Eis.

"Gut, dass die politische Hängepartie endlich vorbei ist", schrieb Grünen-Chefin Annalena Baerbock auf Twitter. "'GroKo'-Leerstellen wie bei Klima, Pflege, Kinderarmut müssen aus dem Parlament heraus gefüllt werden." Die Grünen würden "dafür alles geben".

Der frühere Parteichef Cem Özdemir schrieb auf Twitter: "Habemus GroKo (Wir haben eine GroKo). Glückwunsch!" Er kündigte eine "konstruktive Opposition" an, die zum Dialog bereit sei.

Rechtspopulisten: "Katastrophal"

Die AfD hat die Zustimmung der SPD-Parteibasis zu einer neuen Großen Koalition als "katastrophal" bezeichnet. "Spätestens 2021 kommt die Quittung. Bis dahin werden wir als stärkste Oppositionspartei für eine vernünftige und nachhaltige Politik im Interesse der Bürger kämpfen", kündigte die Partei am Sonntag auf ihrer Facebook-Seite an.

"Die Beweggründe für diese katastrophale Entscheidung bleiben das Geheimnis der SPD-Mitglieder. Eine Neuauflage der faktisch abgewählten Groko wird kein einziges der Probleme lösen, die von denselben Parteien im vorigen Kabinett angehäuft wurden", erklärte die AfD weiter. Sie kritisierte auch, dass sich mit der Neuauflage des Bündnisses zwischen CDU, CSU und SPD "Rechtsbruch und offene Grenzen" fortsetzen würden.

Lindner kündigt "smarte Oppositionsarbeit" an

FDP-Chef Christian Lindner konzentriert sich nun auf die Oppositionsrolle seiner Partei. "Wir freuen uns auf smarte Oppositionsarbeit", schrieb Lindner am Sonntag auf dem Onlinedienst Twitter.

Das Ergebnis des Mitgliedervotums der Sozialdemokraten kommentierte er: "Respekt – es wäre auch ein Rätsel gewesen, wenn die SPD sich einem Koalitionsvertrag mit 70 Prozent eigenem Inhalt verweigert hätte."

Die Führung der Linkspartei rechnet nun mit einer unsozialen Politik. "Eine gespaltene SPD und eine lustlose Union" kehrten auf die Regierungsbank zurück", erklärten die Linken-Chefs Katja Kipping und Bernd Riexinger.

"Mit Horst Seehofer, Jens Spahn und Olaf Scholz bleiben Rechtsruck, Pflegenotstand und Schwarze Null Regierungsprogramm", hieß es in der Erklärung weiter. Zuvor hatte die SPD bekanntgegeben, dass beim Mitgliederentscheide 66 Prozent für eine Fortsetzung der Koalition mit CDU und CSU gestimmt hatten.

Juso-Chef will Regierung auf die Finger schauen

Juso-Chef Kevin Kühnert hat sich indes enttäuscht geäußert. "Bei mir und vielen Jusos überwiegt heute zweifelsohne die Enttäuschung", sagte der Vorsitzende der SPD-Nachwuchsorganisation. Die Jusos akzeptierten aber das Ergebnis. "Wir sind keine schlechten Verlierer." Die SPD stehe nun vor einem programmatischen Erneuerungskurs. "Wir werden der Regierung auf die Finger schauen – der einen wie der anderen Seite", sagte Kühnert. Sein Appell an die unterlegenen Gegner der großen Koalition sei es, in der Partei mit dabei zu bleiben.

Befürworter der großen Koalition zollten dem Juso-Chef Respekt. Die Jusos unter Kühnert hätten eine "tolle Kampagne aus dem Boden gestampft", sagte der Chef der nordrhein-westfälischen SPD, Michael Groschek. Kühnert werde "eine große Zukunft in der Politik und in der SPD haben", sagte Groschek über den 28-Jährigen. (APA, 4.3.2018)