Die Regierung beobachtet den Flughafenausbau wohlwollend. Künftig soll die Wirtschaft mehr Slots erhalten.

Foto: Matthias Cremer

Wien – Nach der Aufhebung der Entscheidung zum Bau der dritten Piste am Flughafen Schwechat durch den Verfassungsgerichtshof wartet man bisher vergeblich auf Neuigkeiten. Das Bundesverwaltungsgericht muss sich wegen schwerer Mängel seines Urteils wieder dem umstrittenen Großvorhaben widmen. Die Regierung ist da schneller und belebt nun einen Vorschlag wieder, der unter der Vorgängerregierung nach der ersten Gerichtsentscheidung gegen den Flughafen ausgearbeitet worden war.

Am kommenden Mittwoch soll der Ministerrat eine Verfassungsbestimmung beschließen, durch die der Wirtschaftsstandort aufgewertet wird. Je nach Lesart soll dabei die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts bei der Beurteilung von Infrastrukturprojekten ebenso oder eben höher gewichtet werden als Umweltanliegen.

Mit Umwelt- und Tierschutz

Zwar befand sich die Formulierung am Sonntag noch in der Feinabstimmung, doch soll jedenfalls eine neue Staatszielbestimmung eingeführt werden. Schon jetzt wird die Bedeutung von Nachhaltigkeit, Tierschutz, Umweltschutz, Sicherstellung der Wasser- und Lebensmittelversorgung und Forschung per Verfassungsgesetz unterstrichen. Der neue Zusatz soll so lauten: "Die Republik bekennt sich zu Wachstum, Beschäftigung und einem wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandort."

Erläuterend heißt es dazu in der geplanten Ministerratsvorlage: "Die Bundesregierung bekennt sich zu einer wettbewerbsfähigen Standortpolitik, zu Wachstum und Beschäftigung, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Der Wohlstand Österreichs und seiner Bürgerinnen und Bürger muss erhalten und ausgebaut werden."

Für Gerichte relevant

Über die Tragweite derartiger Verfassungsbestimmungen lässt sich trefflich streiten. Relativ klar ist, dass derart vage Ziele in der Judikatur bedeutsam sein können. In Auslegungsfragen dienen Staatszielbestimmungen als Entscheidungshilfe. Gerade bei der Entscheidung über den Bau der dritten Piste wurden Standort, Jobs und Wettbewerbsfähigkeit des Flughafens berücksichtigt. In einer Interessenabwägung waren den Richtern des Bundesverwaltungsgerichts aber Umwelt, Klimaschutz und Bodenversiegelung wichtiger als das wirtschaftliche Argument.

Sollte die neue Verfassungsbestimmung beschlossen werden, wäre bei ähnlichen Entscheidungen – für die dritte Piste dürfte sie nicht mehr von Relevanz sein – der Standort höher zu gewichten als bisher. Während NGOs oder Grüne von einer Aushebelung des Umwelt- und Klimaschutzes sprechen, halten Befürworter das Ansinnen für höchst angebracht. Es gehe nicht um eine Höhergewichtung, sondern ein Nebeneinander von Ökologie und Ökonomie.

Von Experten fast einhellig kritisiert wird, dass es die Regierung durch derart allgemeine Vorgaben verabsäumt, klare Bestimmungen zu beschließen. Dadurch erhöht sich der jetzt schon kritisierte Ermessensspielraum weiter, sagte der frühere Präsident des Verwaltungsgerichtshofs, Clemens Jabloner, im Mai dem STANDARD.

"Lotteriespiel"

Noch drastischer äußerte sich der Verfassungsrechtler Theo Öhlinger: Die Politik drücke sich um Entscheidungen in Sachfragen. Durch die gegenseitige Abschwächung der Staatszielbestimmungen Umwelt und Wirtschaft würden Gerichtsentscheidungen zu großen Bauprojekten zu einem "Lotteriespiel".

Dass die Neuregelung kommt, ist aber wegen der notwendigen Zweidrittelmehrheit ohnehin nicht fix. Die Regierungsparteien benötigen dafür mindestens eine Oppositionspartei. Theoretisch naheliegend wäre eine Zustimmung der tendenziell wirtschaftsfreundlichen Neos. Doch die Partei ist "eher kritisch", wie Wirtschaftssprecher Josef Schellhorn erklärt. Er halte den Vorstoß für einen "Marketingschmäh", echte Reformen zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit sieht Schellhorn in einer Entrümpelung der Gewerbeordnung oder einer Aufhebung der Zwangsmitgliedschaft in den Kammern. In der Regierung hält man die kritische Haltung eher für Taktieren, um einen möglichst hohen Preis für eine Zustimmung herauszuschlagen.

Spannend wird die Positionierung der SPÖ. Vor einem Jahr – unter Kanzler Christian Kern – brachte sie einen gleichlautenden Antrag mit der ÖVP ein. (Andreas Schnauder, 5.3.2018)