Foto: Ferdinand NEUMUELLER

In Klagenfurt ging es den Nachzüglern besser als in Kranjska Gora. 60 Kilometer weiter in Slowenien waren die Konkurrenten bloß noch Staffage für Marcel Hirschers Weltcupsieg – im aktuellen Slalom wie in der saisonalen Disziplinen- und Gesamtwertung. In Kärnten hingegen galt Platz eins von Peter Kaiser zwar als ebenso sicher, doch das Interesse an den Mitbewerbern blieb weit größer. Wie Hirscher seit 2012 das Skifahren dominiert hier der Titelverteidiger seit 2013 die Politik. Dadurch stürzte er viele Wähler in ein schier unauflösbares Dilemma und stärkt nun seine Bundespartei bei der Lösung ihres Zielkonflikts. Laut Umfragen wollten sechs von zehn Kärntnern den SPÖ-Spitzenkandidaten als Landeshauptmann behalten. Doch in der Koalitionsfrage rangierte FPÖ-ÖVP vor einem SPÖ-Bündnis mit kleineren Listen und SPÖ-ÖVP.

Stockerlplätze vergeben

Es waren Landtagswahlen und die Stockerlplätze längst vergeben. Rot, Blau, Schwarz in dieser Reihenfolge stand nie infrage, auch wenn die Freiheitlichen hier bei der Nationalratswahl stärker abgeschnitten haben als die Sozialdemokraten. Doch je überragender Kaiser als Person und je klarer die Platzverteilung der Parteien erschien, desto mehr konzentrierte sich das Interesse auf mögliche Regierungsbildungen – nach der ersten Wahl ohne Proporz. Aufgrund dieses Prinzips drohte in Kärnten bisher weder SPÖ noch FPÖ und ÖVP der Gang in die Opposition. Nun hätte dieses Los sogar trotz eines rauschenden Wahlsieges auch den Sozialdemokraten blühen können. Denn es waren Landtagswahlen. Noch die knappste Koalitionsvariante sticht die klarste Personalhoheit.

Diese Zwickmühle erklärt einerseits die Kampagnenführung aller Parteien und andererseits die hohe Aufmerksamkeit für Schwellenlisten. Vom – wie bisher – Sechs- bis zum Drei-Parteien-Landtag schien bis Wahlschluss alles möglich. Dabei wurden den Grünen aufgrund der Kombination ihrer nationalen Krise mit einer regionalen Zellteilung die geringsten Chancen gegeben. Umgekehrt erschien Neos infolge seines scharfen Oppositionsprofils im Bund sowie des Landtags-einzugs in Niederösterreich und Tirol nicht mehr als unbedingt verlorene Stimme.

Kurz-Kurs

Am ehesten galt aber die einstige Stronach-Filiale Team Kärnten des Ex-SPÖ-Manns Gerhard Köfer als fähig, die Fünf-Prozent-Stimmenanteil-Hürde ins Regionalparlament zu nehmen. Denn seine Persönlichkeitswerte waren sogar besser als jene von ÖVP-Spitzenkandidat Christian Benger. Folgerichtig versteckte die Volkspartei diesen geradezu in ihrem Team-Wahlkampf für einen "Kurz-Kurs" in Kärnten, während die SPÖ sich von Tag zu Tag mehr in den Schatten ihres Kaisers fügte.

Unterdessen wurde FPÖ-Frontmann Gernot Darmann nicht müde zu betonen, dass nach einem Fehlversuch des Ersten auch der Zweite eine Regierung bilden könne. Doch die blaue Bundes-Nummer-eins glaubte wohl schon länger nicht mehr daran. Im Gegensatz zu Sebastian Kurz und Christian Kern kam er angekündigt nicht nach Klagenfurt zum Mitfeiern. Nur der Sieg hat viele Väter. Und nicht einmal den höchsten Zugewinn zu erzielen ist für die 2013 in ihrem Kernland schwer gedemütigte FPÖ wie eine Niederlage.

Kaiser stärkt Kern

Die Zuspitzung auf eine Entscheidung zwischen rotem Landeshauptmann und blauschwarzer Koalition hat für die Sozialdemokraten in Kärnten funktioniert. Sie konnten damit nicht nur ihr eigenes Wählerpotenzial trotz der "g'mahtn Wiesn" bis zuletzt mobilisieren. Sie haben auch zuhauf Leihstimmen aus für sie als Partei schwer erreichbaren Milieus erhalten. Dass Kaiser ungeachtet eines von ihm getragenen deutlichen Wahlsiegs nicht mehr Landeshauptmann hätte sein können, erschien dann so vielen Kärntnern einen ideologischen Seitensprung wert, dass die SPÖ hier das beste Ergebnis seit 34 Jahren erzielt hat. Ausgerechnet im literarisch bezugsreich verewigten Jahr 1984 ist das letztmals gelungen.

Einen besseren Moment dafür könnte es für die Bundespartei nicht geben. Denn der Sieg des vom Linken zum Pragmatiker mutierten Kaiser stärkt Kern und schwächt den rechten Flügel, der sich nach Michael Ludwigs Machtübernahme in Wien bereits allzu sehr im Aufwind wähnte.

"Betriebsunfall" an der Parteispitze

Die Art des Wahlerfolgs und die Verfasstheit der Kärntner Landespartei geben allerdings nur bedingt Hinweise, wohin die Reise der österreichischen Sozialdemokratie insgesamt geht. Denn sie übernimmt hier Funktionen und agiert auch inhaltlich oft ähnlich wie in vergleichbaren Bundesländern die ÖVP. Ansonsten wären die Gewinne der SPÖ auch in den ländlichen Gebieten nicht möglich. Das Ganze wird lediglich durch eine Person zusammengehalten, die den vermeintlich ideologisch unmöglichen Spagat täglich vollzieht. Das Erfolgsgeheimnis ist ausgerechnet jener Peter Kaiser, der sich selbstironisch auch schon einmal als "Betriebsunfall" an der Parteispitze bezeichnet hat – ein etwas trockener, aber pointierter Linker und promovierter Philosoph, der die Bezeichnung "Landesvater" für sich ablehnt und ansonsten auch gerne ein Europapolitiker wäre.

Falls nun der Ruf lauter wird, den Kaiser nach Wien zu holen, schüfe dies ein ähnliches Dilemma, wie es aktuell eine Verwaltungsebene tiefer in Tirol entstehen könnte: Wenn die rote Lienzer Bürgermeisterin Elisabeth Blanik als Juniorpartnerin in die Landesregierung geht, würde Osttirol wohl wieder schwarz werden. Wenn Peter Kaiser in die Bundeshauptstadt wechselt, könnte Kärnten erneut blau geraten. Deshalb wird er bleiben. Gleichermaßen aus Landesverbundenheit wie Staatsräson. (Peter Plaikner, 4.3.2018)