Nizza/Bern – Forscher finden immer mehr Hinweise darauf, dass der Komet 67P/Tschurjumow-Gerasimenko jünger sein könnte als angenommen. Nun zeigen Computersimulationen einmal mehr, dass "Tschuri", der das Zielobjekt einer aufsehenerregenden Mission der Europäischen Weltraumorganisation Esa war, nach einem heftigen Zusammenstoß größerer Körper entstanden sein könnte. Solche Kollisionen gab es aber nicht nur in der Frühphase unseres Sonnensystems vor 4,6 Milliarden Jahren, sondern auch später, berichten Wissenschafter im Fachblatt "Nature Astronomy".

Aufnahme von 67P/Tschurjumow-Gerasimenko, kurz Tschuri, aus einer Distanz von 171 Kilometern.
Foto: ESA/Rosetta/MPS

Verdächtige Formen

Die Computersimulationen führte ein internationales Forscherteam in Zusammenarbeit mit den Berner Astrophysikern Martin Jutzi und Willy Benz durch. Die Wissenschafter ließen dabei große Kometenkerne heftig aufeinanderprallen und untersuchten die Folgen. "Die Berechnungen zeigten, dass sich ein großer Teil des Materials in vielen kleineren Körpern ansammelt", sagte Jutzi. Die neu entstandenen Objekte hatten demnach unterschiedliche Größen und Formen, einige davon waren länglich und in ähnlicher Art zweigeteilt wie der Tschuri.

"Wir waren überrascht, dass bei den gewaltigen Kollisionen offenbar nur ein geringer Teil des Materials beträchtlich komprimiert und erhitzt wird", so Jutzi. Dieses Material werde zudem weit weggeschleudert und trage kaum zum Aufbau der verbleibenden kleineren Körper bei, die eine neue Generation von Kometenkernen bilden. Auf der Seite des Kometen, die dem Einschlagspunkt gegenüberliegt, würden flüchtige Stoffe aber selbst heftige Zusammenstöße überstehen.

Kollision mit 3.000 Metern pro Sekunde

Die neue Kometengeneration habe deshalb ebenfalls eine geringe Dichte und sei reich an flüchtigen Stoffen, so der Wissenschafter. Diese Eigenschaften wurden auch bei Tschuri nachgewiesen. Der Komet könnte also durchaus nach einer heftigen, späten Kollision entstanden sein.

Die Forscher sehen auch im dünnen "Hals" des Kometen einen Hinweis darauf, dass er jünger sein könnte als angenommen.
Foto: ESA/Rosetta/MPS

In der Simulation wurde systematisch untersucht, was passiert, wenn verschieden große Körper in unterschiedlichen Winkeln und mit Geschwindigkeiten von 20 bis zu 3.000 Metern pro Sekunde aufeinanderprallen: Kleine Fragmente fügten sich in den Stunden und Tagen nach der Kollision sanft wieder zu vielen vorübergehenden Ansammlungen zusammen.

Ursache für Schichtstruktur?

Dies bietet auch eine mögliche Erklärung für Tschuris rätselhafte Strukturen. Während der Komet seine Form erhalten hat, sammelten sich auf ihm gemäß Simulation weiterhin kleine Teile aus der Umgebung an. Dieses Material wiederum könnte beim Auftreffen auf der Oberfläche flach gedrückt worden sein und so zu einer Schichtstruktur geführt haben. Wenn sich große Blöcke anhäufen, werden so möglicherweise Hohlräume geschaffen, die sich zu ausgedehnten Gruben entwickeln können, so die Wissenschafter. Solche Strukturen hat die Esa-Sonde Rosetta auf dem Kometen entdeckt.

Jutzi und Benz waren bereits in früheren Studien zum Schluss gekommen, dass 67P/Tschurjumow-Gerasimenko seine Form nicht schon bei der Entstehung des Sonnensystems erhalten hat. Dessen Schwachstelle, der dünne Hals zwischen den beiden Kometenteilen, hätte demnach nicht mehrere Jahrmilliarden mit vielen Zusammenstößen überstehen können. Zudem hätte Tschuri ihrer Ansicht nach auch bei einem vergleichsweise sanften Einschlag entstehen können. (APA, red, 12.3.2018)