Marcel Hirscher und Mike Pircher auf ihrem gemeinsamen Weg nach oben. Sein Trainer schließt sich dem allgemeinen Rätselraten an, ob Hirscher nächste Saison weitermachen wird oder nicht.

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Hirscher hat als siebenfacher Gesamtweltcupsieger, zweifacher Olympiasieger, 57-facher Weltcupsieger noch lange nicht genug vom Sport, so viel steht jedenfalls fest.

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Wien – Hat ein Sportler praktisch alles geschafft, was es zu erreichen gibt, dann drängt sich natürlich die Frage auf, ob und wie es weitergeht. So auch im Fall von Marcel Hirscher, der am Sonntag in Kranjska Gora auf beeindruckende Art und Weise mit seinem 57. Weltcupsieg vorzeitig zum siebenten Mal in Serie den Gesamtweltcup für sich entschied. Der 29-jährige Salzburger, Doppelolympiasieger, zwölffacher Saisonsieger und in Bälde stolzer Besitzer von nicht weniger als 17 Kristallkugeln, lässt sich noch keine Abschätzung über seine Zukunft entlocken, muss sich wohl selbst erst genauer mit dem Thema auseinandersetzen, verspricht nur so viel: "Trainieren werde ich sowieso, ob ich nächste Saison weiterfahre oder nicht." Er könne sich nämlich nicht vorstellen, irgendwann mit einer "Bierwampen" dazuhocken.

Verarbeitungsphase

Sein Trainer Michael "Mike" Pircher kann aktuell auch nicht abschätzen, ob sein Schützling weiterfahren oder seine schillernde Karriere beenden wird. "Das kann ich nicht sagen, es ist viel passiert, er muss das erst einmal alles verarbeiten. Nach dem Weltcupfinale werden wir uns zusammensetzen und besprechen, wie es weitergeht. Auszuschließen ist aber gar nichts." Grundsätzlich würde er sich wünschen, dass er noch lange weiterfährt, wenn er sich aber entscheiden sollte aufzuhören, dann würde er ihn auch dabei unterstützen, schließlich sei das seine Entscheidung.

"Volle Attacke" statt mit der "Handbremse"

Pircher zollte Hirscher am Tag nach einer neuerlichen Demonstration im Slalom, den er mit 1,22 Sekunden Vorsprung auf Henrik Kristoffersen gewann, großen Respekt. "Hut ab, in so einer Situation muss man erst einmal die Coolness bewahren. Ihn habe beeindruckt, welche Lockerheit Hirscher trotz großen Drucks an den Tag gelegt hat. "Das Wichtigste war, dass er nicht taktiert hat, sondern volle Kanne gefahren ist." Man dürfe die Verlockung, auf eine Platzierung zu fahren, um sein Ziel zu erreichen, nicht unterschätzen, aber mit angezogener Handbremse klappe es meist nicht nach Wunsch. "Volle Attacke" funktioniere bei Hirscher immer am besten.

Thema Abfahrt

Vermutlich hat nicht zuletzt auch ebendiese Einstellung Herrencheftrainer Andreas Puelacher auf den Plan gerufen, dem Salzburger die Abfahrt schmackhaft zu machen. "Ich möchte unbedingt, dass er Abfahrt fährt", sagte er in Kranjska Gora. Pircher hält nicht viel von dieser Idee, obwohl er weiß, dass die schnellen Disziplinen Hirscher sehr wohl reizen würden, "weil er glaubt, dass in diese Richtung schon auch was ginge. Aber ich bin nicht dafür, weil es generell viel Aufwand und einen großen Trainingsumfang erfordert. Es ist nicht so einfach mit der Geschwindigkeit, mit den Sprüngen, dazu kommt die psychische Belastung, das alles heil zu überstehen." Schließlich sei das Risiko, sich zu verletzen, viel größer als in technischen Disziplinen. Außerdem würde es Hirscher nicht genügen, hie und da mal auf dem Podium zu stehen. "Wer Marcel kennt, weiß, dass er gewinnen will." Zudem müsse er dann wohl eine andere Disziplin aufgeben. Daher rät Pircher: "Bleibe bei deinen Stärken!"

Geänderte Vorzeichen

Dass Hirscher gewissermaßen satt wäre und neue Herausforderungen brauche, glaubt Pircher nicht. Ganz im Gegenteil. Grundsätzlich sei es genug Ansporn und mache ausreichend Spaß, in technischen Disziplinen Rennen zu gewinnen, erst recht, wenn man einfach befreit drauf losfahren kann, weil man bereits alles erreicht hat. "Da macht es auch nichts aus, wenn einmal etwas schiefgeht."

Neue Ziele

Für den Perfektionisten Hirscher scheint der Plafond – zum Leidwesen seiner Konkurrenten – ohnehin nicht zu erreichen. Es komme nicht vor, dass er sich denkt, er sei der Beste, es gibt schließlich immer etwas zu verbessern. Sein Antrieb ist die "Freude am Skifahren, der Spaß am Wettstreit. Wenn man mitfahren kann um den Sieg, ist das schon Motivation genug", sagt Hirscher. Außerdem könnte ja auch Ingemar Stenmarks Rekord von 18 Kristallkugeln und 86 Weltcupsiegen für einen Anreiz sorgen, die Rennlatten nicht so schnell abzuschnallen. (Thomas Hirner, 5.3.2018)