Mario Eustacchio (links) und Bürgermeister Siegfried Nagl bei einer Sitzung im Grazer Gemeinderat.

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Graz/Aistersheim – Der Kongress "Verteidiger Europas", ein Vernetzungstreffen von rechtsextremen und rechten Organisationen, Politikern, Verlegern und Medien aus ganz Europa, ging am Wochenende mit über 500 Gästen im oberösterreichischen Wasserschloss Aistersheim nahe Wels wie geplant über die Bühne.

300 Gegendemonstranten, darunter der Vorsitzende des Mauthausen-Komitees Österreich, Willi Mernyi, taten in der kleinen Gemeinde ihren Unmut über das Treffen kund. Die Gemeinde, die selbst nur etwas mehr als 800 Einwohner zählt, war im Ausnahmezustand.

Nachbeben an der Mur

Doch in Graz, wo man sich seit 2001 nach einem einstimmigen Beschluss "Stadt der Menschenrechte" nennt und jeden Beschluss auf diese hin abklopft, sorgte der Kongress auch noch am Montag für ein politisches Nachbeben. FPÖ-Vizebürgermeister Mario Eustacchio, den ÖVP-Bürgermeister Siegfried Nagl nach der letzten Wahl zum Koalitionspartner erkoren hatte, war einer der Hauptredner in Aistersheim. Während sich der frühere Abgeordnete (Team Stronach und ÖVP) und Arzt Marcus Franz in letzter Minute gegen eine Teilnahme entschied und auf Twitter verlautbarte, er sei auf einem Ärztekongress, während er auf der Homepage der "Verteidiger Europas" noch als Redner gelistet war, trat Eustacchio als prominentester österreichischer Politiker im Schloss vor das stramm rechte Auditorium.

Was er dort gesagt hat, ist für die meisten österreichischen Medien nicht zu überprüfen, wurden doch nur ausgewählte – meist einschlägige – Medien zugelassen. Seine Rede veröffentlichen will Eustacchio auch nicht. Weil sie "zu lang und zu komplex" sei, sagt er im ORF-Interview. Doch das laut dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes rechtsextreme Hochglanzmagazin "Info Direkt" war mit von der Partie. Das ist wenig überraschend, war es doch Mitveranstalter des Kongresses.

Eustacchios Sorge um "autochthone Bevölkerung"

"Info Direkt" zitierte begeistert aus der Rede des Grazer Vizebürgermeisters. Etwa Eustacchios Sorge um die "autochthone Bevölkerung" Österreichs, deren "Vermehrungsrate" jener der Einwanderer unterliege. "Setzt sich die Entwicklung fort, dann werden wir Fremde im eigenen Land", wird Eustacchio zitiert – und streitet diesen Teil der Rede auch nicht ab. Doch das Magazin zitierte ihn weiter in indirekter Rede mit folgender Aussage: "Das Ablehnen und Ersetzen der alten 'väterlichen' Werte durch ein religiöses Anbeten der 'Menschenrechte' habe zu den katastrophalen Zuständen geführt, die wir heute in Europa haben."

Zur Erinnerung: Die Menschenrechtserklärung wurde von den Vereinten Nationen 1948 als direkte Reaktion auf den Zweiten Weltkrieg und den Holocaust verkündet. Scharfe Kritik kam unter anderem von den Grünen, die ihn am Wochenende zum Rücktritt aufforderten, der KPÖ, deren Klubchef Manfred Eber von verstörenden Aussagen sprach, und der SPÖ, die eine Stellungnahme des steirischen FPÖ-Chefs und Verteidigungsministers Mario Kunasek verlangte. Nach all dieser Aufregung stritt Eustacchio den umstrittenen Teil seiner Rede am Montag im ORF kurzerhand ab. Auf STANDARD-Nachfrage, ob Eustacchio gegen die angebliche Falschmeldung des Magazins gerichtlich vorgehen werde, hieß es aus seinem Büro: "Das steht nicht zur Debatte."

Nagl: Menschenrechte "Richtschnur für politisches Handeln"

Sein Grazer Koalitionspartner Nagl dürfte jedenfalls nicht begeistert von dem kolportierten Sager gewesen sein. Er betonte am Montag in einer Aussendung, die Menschenrechte seien weiter "die Richtschnur für politisches Handeln in Graz".

"Es ist besonders beunruhigend", so der Völkerrechtler und Mitbegründer des Grazer Menschenrechtsbeirats, Wolfgang Benedek im STANDARD-Gespräch, "wenn die Menschenrechte, die bei uns Verfassungsrang haben, im Jubiläumsjahr so attackiert werden." Benedek will das in der nächsten Sitzung des Beirats thematisieren. (Colette M. Schmidt, 5.3.2018)