St. Pölten – Ein spärlicher Hausrat wird auf der kleinen Bühne verstreut. Ein Korb, ein Stuhl, Kleider werden hinter dem Vorhang herausgezogen, auf den ein zerstörtes Haus projiziert ist. Eine Ruine aus dem Krieg im Nahen Osten. Scheppernd schlagen Teller auf den Boden. Dann wird ein Teppich ausgebreitet, und die fünf Darstellerinnen setzen sich darauf. Hinter ihnen an der Wand nun das Bild eines Flüchtlingszeltlagers. Sie bilden einen Erzählkreis, klagen miteinander und einander ihr Leid.

In der Theaterwerkstatt des Landestheaters Niederösterreich trifft ein abendländisches Gemälde auf zum Teil antiken Text und heutiges Kriegsleid im Nahen Osten.
Foto: Alexi Pelekanos

Bagdad, Damaskus, Aleppo und solche Flüchtlingscamps hat der Regisseur Mokhallad Rasem besucht. Dabei aufgenommenes Bild- und Tonmaterial wurde zum Ausgangspunkt für Mother Song im Landestheater Niederösterreich. Mittlerweile lebt Rasem in Antwerpen, 2013 gewann er das Young Director's Project der Salzburger Festspiele, geboren wurde er in Bagdad.

Schon dort hat der heute 37-Jährige Theater gemacht: Unter Saddam Husseins Regime griff man auf alte Texte zurück, um aktuelle Zustände zu kritisieren. Neben den Interviews mit Müttern, die um ihre toten und versehrten Kinder trauern, geht er auch in Mother Song in die Kulturgeschichte zurück zu einem Text von Euripides, in dem Frauen ihr Leid im Krieg kundtun.

Dokument und Pathos

Dokumentarisch und mit weihevollem Pathos entwickeln die eineinviertel Stunden keine eigene Geschichte, sondern bilden nach. Originaltonaufnahmen von Müttern, die über verlorene und versehrte Kinder klagen, werden aus dem Off auf Deutsch übersetzt. Wäscheleinen wachsen aus einem Flüchtlingscampfoto in den kleinen Bühnenraum hinein.

Koproduziert wurde mit dem Toneelhuis Antwerpen und den Vereinigten Bühnen Bozen. Die Darstellerinnen (Hanna Binder und Bettina Kerl hier vom Haus, die Südtirolerin Anna Unterberger, die Antwerpener Tänzerin Tijen Lawton) werden später von diesen Wäscheleinen weiße Kleider nehmen, sie über die zuvor gewaschenen, kurz nackten Körper streifen und – nun mit eigener Stimme – neben den Sorgen des Krieges von Träumen und Hoffnung sprechen. Die syrische Sängerin Sally Ghannoum singt kräftig und zart, betörend wechseln Musik und akustische Drohgebärden.

Die Figuren bewegen sich meist langsam wie Gespenster, manchmal bricht körperlich heftig der Schmerz aus ihnen. Das ergibt inhaltlich wenig. Erzählabende von Geflüchteten im Wiener Theater Hamakom haben in ihrer Authentizität schon wuchtiger gewirkt. Es bleiben gewollt ästhetische Bilder, Töne und Gesten. (Michael Wurmitzer, 5.3.2018)