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Ob Berlusconis Forza Italia trotz des schlechten Wahlergebnisses Teil einer Regierungskoalition wird, ist vorerst offen.

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Deutlich besser schnitt nämlich die Fünf-Sterne-Bewegung mit Spitzenkandidat Luigi Di Maio ab.

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Szenario 1: Fünf-Sterne-Bewegung und Partito Democratico

Das Szenario, das in Analysen und Kommentaren derzeit am häufigsten genannt wird, ist eine Koalition der Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) mit dem Partito Democratico (PD). Aus ideologischer Sicht ist die basisdemokratische, system- und europakritische Fünf-Sterne-Bewegung relativ flexibel, kann man sie doch nicht eindeutig verorten.

So finden sich an der Basis der Grillini, wie sie in Italien frei nach ihrem Parteigründer Beppe Grillo genannt werden, rechte wie linke Protestwähler. Die könnten sich – vor allem nachdem das zum Establishment zählende Feindbild Matteo Renzi nach dem schlechten Abschneiden seiner PD zurückgetreten ist – durchaus für diese Variante erwärmen. Schließlich wäre man in der Regierung der große Partner, der PD der Juniorpartner, der aber das Know-how des Regierenden einbringen kann. In der Fünf-Sterne-Bewegung haben etwa 75 Prozent der Kandidaten vorher noch nie ein politisches Amt bekleidet.

Aus EU-Sicht wären viele froh über eine Variante, in der es zumindest einen Stabilitätsfaktor in Form der bisherigen Regierungspartei gäbe. Dass M5S erneut den Euroaustritt forciert, gilt aber als unwahrscheinlich.

Der Partito Democratico hat in Südtirol zwar sein Wahlziel mit zwei Parlamentssitzen erreicht. Italienweit ist die bisherige Regierungspartei aber abgestürzt.
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Szenario 2: Fünf-Sterne-Bewegung und Lega

Eine Koalition der Fünf-Sterne-Bewegung, der Lega und eventuell der Fratelli d'Italia von Giorgia Meloni wäre eine weitere Option. Auf den ersten Blick vielleicht eine politisch extreme Variante, in Europa vollkommen neu. Die Grillini kennen aber sehr wohl einige Überschneidungen mit der Lega, der Partei rund um Spitzenkandidat Matteo Salvini. Seine Slogans gegen die Brüsseler Bürokratie und gegen illegale Einwanderung könnten durchaus auch von den Grillini stammen. Der ehrgeizige Vorsitzende der äußerst fremdenfeindlich auftretenden Partei schloss zwar eine Koalition mit den Fünf Sternen aus, erhebt aber einen Anspruch auf Regierungsverantwortung. Seine Lega werde sich um die Revision der EU-Verträge bemühen. In dieser Hinsicht vertraue er den Grillini nicht. "Ich sage Nein zu komischen Koalitionen." Die Fünf-Sterne-Bewegung habe schon "zu oft ihre Meinung über die verschiedensten Themen geändert", sagte Salvini. Ob Salvini seine Meinung ändert, was diese Koalitionsvariante betrifft, wird wohl auch von Präsident Sergio Mattarella abhängen, der die Lega nicht gerne in der Regierung sähe.

Die Ergebnisse der italienischen Parlamentswahl zeigen zwar klare Gewinner und Verlierer, eine Regierungsbildung dürfte aber schwierig werden, wie der Überblick zeigt.
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Szenario 3: Rechtsbündnis mit kleinem Partner

Die Mitte-rechts-Koalition, wie sie zu den Wahlen angetreten ist, hat definitiv keine Mandatsmehrheit. Gemeinsam mit der Forza Italia, den postfaschistischen Fratelli d'Italia und der "Wir mit Italien" könnte die Lega einen anderen kleinen Partner aus anderen Parteien zu Gesprächen einladen. Diese Kombination wäre zwar sehr ungewöhnlich, bleibt aber angesichts ansonsten drohender Neuwahlen eine Option. Ein Nachteil der hier beschriebenen Variante wäre, dass die Mehrheit knapp wäre. In solch einem Fall könnte sich das Bündnis auch um einzelne abtrünnige Abgeordnete bemühen, die ihnen eine regierungsfähige Mehrheit sichern. Das ist in Italien alles andere als ungewöhnlich. Hier steht es jedem Parlamentarier frei, so oft die Partei zu wechseln, wie es ihm beliebt. Allein in der vergangenen Legislaturperiode zählte das italienische Parlament 540 Partei- oder Fraktionswechsel. Viele Volksvertreter wechselten mehrmals. Was noch gegen diese Variante spricht: Matteo Salvini von der Lega dürfte als stärkste Partei im Bündnis das Amt des Premiers für sich beanspruchen, was wiederum Berlusconi nicht schmeckt.


Szenario 4: Fünf-Sterne-Bewegung und Forza Italia

Die Fünf-Sterne-Bewegung kann sich ihre Koalitionspartner mit ihrem Wahlergebnis aussuchen. Das Koalitionsverbot, das Gründer Beppe Grillo vormals ausgerufen hatte, wurde von Spitzenkandidat Luigi Di Maio ja rechtzeitig vor den Wahlen abgeschafft. Ein rechnerisch möglicher Koalitionspartner wäre natürlich auch Berlusconis Forza Italia (FI). Diese Variante ist von allen hier abgebildeten wohl die unwahrscheinlichste, allein aufgrund der handelnden Akteure. Beppe Grillo und Silvio Berlusconi sind in der Politiklandschaft Italiens so etwas wie Antipoden. Grillos Feindbild Nummer eins war und ist der Politikertyp, den Berlusconi verkörpert.

Außerdem wird der junge, aufstrebende Luigi Di Maio wohl kein Interesse daran haben, mit einer Partei wie der Forza Italia zu koalieren, die eindeutig am absteigenden Ast ist. Bitter stößt Berlusconi die Tatsache auf, dass er innerhalb seines Mitte-rechts-Bündnisses deutlich hinter der Lega gelandet ist. Der Abgesang des Medienzars ist spätestens mit dieser Wahl eingeläutet – das Phänomen Berlusconi längst vom Phänomen Fünf-Sterne-Bewegung abgelöst.


Szenario 5: Neuwahlen

In jenem Punkt haben die Vorhersagen gestimmt: Alle Umfragen gingen davon aus, dass die Parlamentswahlen keine klaren Machtverhältnisse ergeben würden, weshalb das Neuwahlszenario schon vor der Wahl im Raum stand. Und so kam es dann auch: Die Regierungsbildung dürfte sich schwierig bis unmöglich gestalten, nachdem keine Partei und kein Wahlbündnis die für die absolute Mehrheit nötigen 40 Prozent erreichte. Es liegt nun an Staatspräsident Sergio Mattarella zu versuchen, dem Land eine handlungsfähige und verlässliche Regierung zu geben. Der Präsident hat sich zuletzt erneut für eine stabile Regierung ausgesprochen, was eine Minderheitsregierung ausschließt. Am 23. März kommen erstmals die beiden Parlamentskammern zusammen, um die Präsidenten des Senats und des Abgeordnetenhauses zu wählen. Danach beginnen eventuelle Koalitionsverhandlungen. Sollte sich die Regierungsbildung allerdings als unmöglich herausstellen, steht Mattarella die Option offen, Neuwahlen auszurufen. In der Zwischenzeit führt die bisherige Regierung von Paolo Gentiloni (PD) die Amtsgeschäfte weiter. (Manuela Honsig-Erlenburg, Anna Giulia Fink, 5.3.2018)