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Gute Stimmung in Pjöngjang: Südkoreas Abgesandter Chung Eui-jong und Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un.

Foto: AP / Korean Central News Agency

Ein Thema ist dieser Tage in Südkorea in aller Munde: Das Tauwetter hat endlich begonnen. Doch während der erste warme Sonnenschein des Jahres und das Ende des Winters meteorologisch zu erwarten waren, sind die politischen Entwicklungen auf der koreanischen Halbinsel einigermaßen überraschend. Beim zweitägigen Treffen in Pjöngjang, das koreanische Medien schon im Vorfeld historisch genannt hatten, ist Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un Südkoreas nationalem Sicherheitsberater Chung Eui-jong offenbar weiter entgegengekommen, als viele vermutet hatten.

So hat sich der Norden den Worten Chungs nach bereiterklärt, "offen" mit den USA zu verhandeln – und zwar auch über das Ende seines Atomprogramms. Für die Dauer des Dialogs würde Pjöngjang diesen Angaben nach auch auf Raketen- und Atomtests verzichten. Zudem soll es Anfang April ein Gipfeltreffen zwischen Kim und Südkoreas Staatschef Moon Jae-in geben.

Noch keine Bestätigung

Eine Bestätigung des Nordens für die Angaben stand bis zum Abend freilich noch aus. Die genaue Formulierung des Südens zur Denuklearisierung ist zudem unterschiedlich interpretierbar. Dort hieß es, Nordkorea sehe keinen Grund, Atomwaffen zu besitzen, wenn die Sicherheit der Regierung garantiert sei und es keine Bedrohung für das Land gebe. Kim Jong-un soll den Südkoreanern dazu gesagt haben, der Atomwaffenabbau sei "eine Anweisung meines Vorgängers", seiner Vorgänger. An dieser Anweisung habe er bisher nichts geändert.

Unklar war am Dienstagnachmittag noch, ob die USA Gesprächen zustimmen würden. Bisher hatte Washington immer genau das zur Bedingung gemacht, wozu sich Nordkorea nun offenbar bereiterklären will – nämlich dass auch über Denuklearisierung verhandelt werde. In einem ersten Statement begrüßte US-Präsident Donald Trump auf Twitter den "möglichen Fortschritt".

Symbolisches Dinner

Viel weiter als den USA kam Kim bei dem Treffen freilich Südkorea entgegen: Sicherheitsberater Chung empfing er am Montagabend sogar zum offiziellen Dinner, was einen hohen symbolischen Wert hat, auf Fotos wurde viel gelacht. Noch vor dem Treffen zwischen Kim und Moon im Grenzdorf Panmunjeom soll es nach der Vereinbarung, die tags darauf erzielt wurde, auch Telefonate auf höchster Ebene geben. Vor allem versicherte der Norden, man werde weder konventionelle noch nukleare Waffen gegen den Nachbarn einsetzen, mit dem formell seit 1950 Kriegszustand besteht.

Nicht geplant ist jedenfalls, die gemeinsamen Manöver der Armeen der USA und Südkoreas Anfang April noch einmal zu verschieben. Diese jährlichen Übungen führen immer wieder zu schweren Krisen, weil der Norden sie als Vorbereitung für einen Krieg begreift. Seouls Präsidialamt teilte am Dienstag mit, man habe Pjöngjang darüber informiert, dass die Manöver stattfinden würden. Kim Jong-un habe dazu gesagt, er gehe davon aus, dass die Übungen das gleiche Ausmaß haben würden wie in den vergangenen Jahren – ein Hinweis darauf, dass er wohl bereit ist, sie zu akzeptieren.

Druck aus den USA

In Südkorea werden die Gespräche jedenfalls von einer großen Mehrheit der Bevölkerung begrüßt – auch wenn die Opposition kritisiert, dass der liberale Präsident Moon dem Norden zu schnell entgegenkomme. Ob Seouls Politik aber überhaupt der Grund für das Tauwetter ist, wird hinterfragt. Anhänger konservativer Parteien sehen den Druck der USA als ausschlaggebend an. Woosuk Kenneth Choi, leitender Autor der konservativen Zeitung Chosun, sagte am Montag bei der koreanischen World Journalist Conference, er habe gehört, die USA hätten bei Verbündeten im Jänner konkret angekündigt, Nordkorea zu bombardieren – und so den Druck auf den Norden noch einmal erhöht. (Manuel Escher aus Suwon, 6.3.2018)