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Die Liste jener Güter, die die EU mit Strafzöllen belegen könnte, nimmt Gestalt an. Im Fall des Falles sind nicht nur Stahlprodukte aus den USA betroffen. Auch Whiskey, Mais, Orangensaft, Jeans und Kosmetika, ja, sogar Hausboote kommen vor.

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Brüssel/Washington/Wien – Im drohenden Handelskrieg zwischen den USA und der Europäischen Union hat die Kommission in Brüssel am Dienstag die Gangart verschärft. Gemäß einer der Nachrichtenagentur Bloomberg zugespielten Liste könnten importierte US-Waren im Volumen von 2,8 Milliarden Euro mit Strafzöllen belegt werden, sollte Washington seine Ankündigung, auf Stahl und Aluminium aus Europa einen Strafaufschlag von 25 Prozent einzuheben, tatsächlich umsetzen.

Diese Maßnahme hatte US-Präsident Donald Trump vor dem Wochenende gegen alle Staaten weltweit angekündigt, die nach seiner Meinung US-Firmen ungerechtfertigt billige Konkurrenz machen würden. Er löste damit eine Kaskade wechselseitiger Drohungen aus. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat umgehend reagiert und im Gegenschlag zunächst nur Strafzölle für Whiskey und Motorräder der Marke Harley-Davidson angekündigt.

Wie EU-Diplomaten nun bestätigten, wurde die "schwarze" Liste der US-Waren inzwischen deutlich ausgeweitet: Nicht nur Stahlprodukte, auch Lebensmittel, Kosmetika, Schuhe, Textilien wie Hemden und Jeans, sogar Hausboote aus den USA würde die EU im Fall des Falles mit Zöllen belegen. Alle drei Sektoren – Stahl, Agrarprodukte, sonstiges – würden je zu rund einer Milliarde Euro betroffen sein. Darüber wurden die Ständigen Vertreter der 28 Mitgliedsländer bereits informiert.

Komplizierte Verfahren

EU-Außenhandel und Wettbewerbspolitik sind gemäß den EU-Verträgen eine Gemeinschaftsmaterie, die Kommission kann in solchen Fällen von sich aus tätig werden. Der US-Markt ist für die Union insgesamt der größte und wichtigste Exportmarkt. Pro Jahr verkaufen europäische Firmen in den USA Waren und Dienstleistungen im Volumen von 375 Milliarden Euro. Der Stahlbereich ist mit sechs Milliarden Euro vergleichsweise bescheiden.

Vorschläge der Kommission müssen von den Regierungen der EU-Länder aber im EU-Ministerrat mit Mehrheit bestätigt werden. Nicht nur das ist ein Hinweis, dass es sehr ungewiss ist, ob EU-Vergeltungsmaßnahmen so bald überhaupt kommen werden.

Nachdem Trump in einer ersten wütenden Antwort auf die Juncker-Ankündigungen von Restriktionen im Stahlbereich erklärt hatte, dass die USA dann eben auch Autos aus Europa auf die Sanktionsliste setzen würden, hat die deutsche Regierung in Berlin auf Beruhigung gesetzt.

Sie will einen US-EU-Handelskrieg zwischen Bündnispartnern auf jeden Fall verhindern, nicht zuletzt, weil der US-Markt für die führenden Marken Mercedes, BMW und Audi wichtig ist. Regierungssprecher Steffen Seibert hatte daher bereits am Montag betont, dass ein Handelskrieg "nicht in deutschem, nicht in europäischem und nicht in amerikanischem Interesse" sei. Auch der Chef des französischen PSA-Konzerns (Peugeot, Citroën), Carlos Tavares, warnte am Dienstag in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der europäischen Autoerzeuger vor voreiligen Reaktionen. Trump äußere seine Meinung oft sehr deutlich. Das bedeute aber nicht, dass alles auch so komme wie angekündigt. Es sieht also nicht nach raschen Beschlüssen aus.

Trumps heftige Ansagen

Auch in Brüssel wird betont, dass die weitere Entwicklung jetzt zunächst einmal davon abhängt, ob Trump seine Ankündigungen überhaupt umsetzen wird. Er hat in der Vergangenheit schon einige verstörende Ansagen gemacht, die dann nie umgesetzt wurden. Widerstand gegen seine Pläne kommen inzwischen auch ganz offen aus dem eigenen politischen Lager der Republikaner. Paul Ryan, ihr Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus, sprach sich strikt gegen die Embargomaßnahmen seines Präsidenten aus.

Unklar ist auch, ob die EU im Fall des Falles aus eigenem tätig werden würde oder sich zunächst mit einer Beschwerde an die Welthandelsorganisation (WTO) wenden würde, weil die USA gegen die Regeln des freien Handels verstoßen hätten. Auch andere betroffene Länder wie die Türkei könnten sich dem anschließen. WTO-Verfahren dauern in der Regeln lange. Und der US-Präsident hat im ersten Jahr seiner Amtszeit oftmals bewiesen, was er von internationalen Organisationen wie der Uno oder eben der WTO hält: eher wenig.

Ein geringeres Mittel an Gegenmaßnahmen der EU wären vor Strafzöllen auch noch Schutzmaßnahmen für einzelne Industriezweige, wenn diese ernsthaft beschädigt werden könnten.

Die schwarze Liste jener Güter, die die EU mit Strafzöllen belegen könnte, nimmt Gestalt an. Sie ist gar nicht so kurz, und was die erfassten Sektoren betrifft, recht breit gestreut. Im Fall des Falles sind nicht nur Stahlprodukte aus den USA betroffen. Whiskey, Mais, Orangensaft, Jeans, Kosmetika – ja sogar Hausboote kommen vor. (Thomas Mayer, 6.3.2018)