Der britischen Innenministerin Amber Rudd zufolge wurden der russische Doppelagent Sergej Skripal und seine Tochter Opfer eines Angriffs mit seltenem Nervengift.

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London – Bei dem Attentat auf den russischen Doppelagenten Sergej Skripal in Großbritannien ist ein sehr seltenes Nervengift verwendet worden. Das sagte die britische Innenministerin Amber Rudd am Donnerstag in einem Interview mit dem BBC-Radio. Welches Gift genau zum Einsatz kam, wollte sie nicht sagen.

Der BBC zufolge handelt es sich weder um Sarin, das einem UN-Bericht zufolge zuletzt im Syrien-Krieg zum Einsatz kam, noch um VX, mit dem im vergangenen Jahr der Halbbruder des nordkoreanischen Machthabers Kim Jong-un getötet wurde.

Rudd versicherte bei einem Auftritt im Parlament am Donnerstag, die Regierung werde "robust und angemessen" reagieren, sobald klar sei, wer hinter der Tat stecke. "Das war versuchter Mord auf eine höchst grausame und öffentliche Art", sagte Rudd. Trotzdem müssten Spekulationen vermieden werden.

Ermittlungen wegen versuchten Mordes

Derzeit werde wegen versuchten Mordes ermittelt, teilte der Chef der britischen Antiterroreinheit, Mark Rowley, am Mittwoch mit. Skripal und seine Tochter Yulia seien mit Nervengift "gezielt angegriffen" worden. Auch ein Polizeibeamter befinde sich inzwischen in einem lebensbedrohlichen Zustand. Eine Gefahr für die Öffentlichkeit bestehe aber nicht.

Die Rolle der Ermittler sei nun herauszufinden, wer hinter der Tat stecke, sagte Rowley. "Zu diesem Zweck arbeiten hunderte Kriminalbeamte, Gerichtsmediziner, Analysten und Geheimdienstmitarbeiter rund um die Uhr an dem Fall zusammen."

Die britische Regierung hat das Attentat als "widerwärtiges und skrupelloses Verbrechen" verurteilt. Die Öffentlichkeit verlange zu Recht, dass die Verantwortlichen identifiziert und zur Rechenschaft gezogen würden, sagte ein Sprecher von Premierministerin Theresa May am Donnerstag.

Schlagabtausch zwischen London und Moskau

Skripal und seine Tochter waren am Sonntag mit Vergiftungserscheinungen in der südenglischen Kleinstadt Salisbury bewusstlos aufgefunden worden. Sie kämpfen seitdem in einer Klinik um ihr Leben. Die Erkenntnisse der britischen Polizei dürften Spekulationen weiter anheizen, dass Russland seine Hände im Spiel hat.

Der Fall hat zu einem diplomatischen Schlagabtausch zwischen Moskau und London geführt. Der britische Außenminister Boris Johnson hatte am Dienstag eine "angemessene und deutliche" Reaktion angekündigt, sollte sich der Verdacht Fall erhärten. Kein Versuch, auf britischem Boden unschuldiges Leben zu nehmen, werde unsanktioniert oder ungestraft bleiben, sagte Johnson. Das russische Außenministerium warf den britischen Behörden eine russlandfeindliche Kampagne vor. Noch vor Klärung der Fakten würden Vorwürfe gegen Russland erhoben, sagte Ministeriumssprecherin Maria Sacharowa am Mittwoch.

May stellt Besuch der Fußball-WM infrage

Premierministerin May stellte am Mittwoch wie zuvor Johnson den Besuch britischer Politiker und Würdenträger bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Russland im Sommer infrage, sollte sich herausstellen, dass Moskau hinter dem Fall steckt.

Ähnlich direkt fiel die Antwort aus Russland aus. "Man spürt, dass diese Kampagne vollkommen geplant abläuft, und darin klingen auch Äußerungen offizieller Vertreter Großbritanniens an", sagte Ministeriumssprecherin Sacharowa der Agentur Interfax zufolge. Am 18. März wird in Russland der Präsident gewählt, Wladimir Putin gilt als haushoher Favorit.

Pizzeria und Pub geschlossen

Skripal, ein früherer Oberst des russischen Militärgeheimdiensts (GRU), war in Russland als britischer Spion verurteilt und bei einem in Wien organisierten Austausch 2010 freigelassen worden. Er lebte laut "Guardian" unter seinem Klarnamen in Salisbury.

Eine Pizzeria und ein Pub in der Stadt wurden vorübergehend geschlossen und dekontaminiert. Auch nahe der Touristenattraktion Stonehenge sei eine Absperrung im Zusammenhang mit dem Fall eingerichtet worden, teilte die Polizei mit.

Der Fall erinnert an den Mord an dem russischen Ex-Agenten und Kremlkritiker Alexander Litwinenko in London 2006. Er war mit radioaktivem Polonium vergiftet worden. (APA, 8.3.2018)