Ján Kuciak wurde vergangene Woche auf dem Friedhof in Štiavnik beigesetzt. Er und seine Verlobte waren am Abend des 25. Februar in ihrem Haus im westslowakischen Dorf Veľká Mača tot aufgefunden worden.

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Bratislava – Eine Delegation des EU-Parlaments hat am Donnerstag Gespräche in der Slowakei begonnen, um mehr über die Hintergründe der Ermordung des Enthüllungsjournalisten Ján Kuciak und seiner Verlobten zu erfahren. Die Abgeordneten sind dabei auch mit Staatspräsident Andrej Kiska zusammengekommen. "Ich bin froh, dass unseren Partnern daran gelegen ist zu erfahren, was in der Slowakei passiert", sagte Kiska nach dem Treffen. Bereits zuvor hatte der parteilose Präsident umfangreiche politische Konsequenzen aus dem Mord gefordert.

Mehrere Oppositionsparteien hatten im Zusammenhang mit dem Mord bereits am Mittwoch einen gemeinsamen Misstrauensantrag gegen die vom Sozialdemokraten Robert Fico geführte Dreiparteienregierung eingebracht. Ein Termin für die Abstimmung wurde zunächst nicht bekanntgegeben.

Am Donnerstag machten jedoch Gerüchte die Runde, dass der umstrittene Innenminister Robert Kaliňák Anfang nächster Woche zurücktreten könnte. Kaliňák, der ebenfalls Ficos Partei Smer angehört, war in der Vergangenheit selbst häufig mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert. Seine Kritiker wollen ihn nicht mehr an der Spitze jenes Ministeriums, das für die Polizei im Land – und damit auch für die Aufklärung des Mordes an Kuciak – verantwortlich zeichnet. Ein Sonderstaatsanwalt für Korruptionsbekämpfung hat am Donnerstag bekanntgegeben, in einem anderen Fall Strafanzeige gegen Kaliňák einzubringen.

Recherchen über Mafiaverbindungen

Indes kocht auch der Konflikt zwischen der Regierungsspitze und Präsident Kiska weiter. Kiska wirft der Regierung vor, jahrelange Warnungen des eigenen Geheimdienstes SIS vor den Machenschaften italienischer Mafiaclans ignoriert zu haben. Hintergrund: Kuciak hatte über die Verfilzung von Politik und Geschäftemacherei recherchiert. In seiner Untersuchung der sogenannten Panama Papers war er auf mögliche Verbindungen italienischer Mafiaclans zu slowakischen Politikern und Regierungsmitarbeitern gestoßen.

Seine unvollendete letzte Reportage dazu wurde nach seinem Tod in slowakischen Medien veröffentlicht. Nach Kuciaks Recherchen soll das kriminelle Netzwerk auch durch den Missbrauch von EU-Fördergeldern reich geworden sein. Auch das ist ein Grund dafür, dass der Mord das Interesse des Europäischen Parlaments in besonderem Maße geweckt hat.

Weitere Proteste geplant

Für die nächsten Tage sind im ganzen Land weitere Demonstrationen gegen Korruption und die Verfilzung von Politik und Geschäftemacherei geplant. Als Versuch zur Beruhigung wollten Staatspräsident, Regierungschef und Parlamentspräsident am Freitag ein Dreiergespräch führen. Präsident Kiska hat vorgeschlagen, dabei eine gemeinsame Deklaration zu formulieren. Das Treffen habe nur dann Sinn, wenn am Ende "ein konkretes und verständliches Ergebnis" stehe, so Kiska.

Der 27-jährige Kuciak und seine gleichaltrige Verlobte Martina Kušnírová waren am Abend des 25. Februar in ihrem Haus im westslowakischen Dorf Veľká Mača tot aufgefunden worden. Sie waren nach Polizeiangaben etwa drei Tage zuvor durch Schüsse in Kopf und Brust getötet worden. Die slowakischen Behörden standen danach auch deshalb in der Kritik, weil sie nicht ausreichend auf vorherige Warnsignale reagiert hätten. Kuciak erstattete bereits früher Anzeige, nachdem er bedroht worden war. Später beklagte er sich in den sozialen Netzwerken darüber, dass sich offenbar noch niemand um seine Anzeige gekümmert habe.

Noch keine Beweise

Die Tageszeitung "Denník N" veröffentlichte am Donnerstag ein Interview mit der tschechischen Enthüllungsjournalistin Pavla Holcová, die eng mit Kuciak zusammengearbeitet hatte. Sie sei kurz nach dem Mord von der tschechischen Polizei kontaktiert worden, die ihr von sich aus Personenschutz angeboten habe. Holcová spricht in dem Interview auch von den gemeinsamen Recherchen über Verbindungen slowakischer Politiker zu italienischen Geschäftsleuten, die mit der Mafia in Verbindung gebracht werden. Beweise für einen direkten Zusammenhang mit dem Mord gebe es jedoch derzeit nicht.

Die Delegation des EU-Parlaments will bis Freitag in der Slowakei Gespräche führen. Sie wird von der deutschen Abgeordneten Ingeborg Gräßle (CDU) und dem britischen Labour-Parlamentarier Claude Moraes angeführt. Die Abgeordneten wollen neben Spitzenpolitikern vor allem Korruptionsbekämpfer, Journalisten und Experten für EU-Förderprogramme treffen. (APA, schub, 8.3.2018)