Lassen Sie mich aus dem Nähkästchen erzählen – oder hüpfen Sie gleich zum letzten Absatz, Sie versäumen eigentlich auch nichts: Mein Vater fuhr einen Escort, als ich auf die Welt kam. Und der Verdacht liegt nahe, dass ich in ebendiesem auch gezeugt wurde. Ein roter Escort war es, mit weißen Streifen. Ich nehme an, ein Mexico. Für all jene, die es nicht so mit Ford haben: Das Auto wäre heute richtig viel Geld wert – was egal wäre, denn ich würde ihn nie verkaufen.

Der Ford Escort der ersten Serie. So einen besaß mein Vater erst in Rot, dann in Gelb. Unglücklicherweise hat er beide verkauft. Heute wären sie viel Geld wert – so sie überhaupt noch fahren würden – und ein Quell der Freude für den älteren Sohn meiner Eltern.
Foto: Ford

Mein Vater hat ihn seinerzeit verkauft. Vermutlich nachdem er meinen Bruder darin gezeugt hatte. Der rote Escort war anscheinend zu gefährlich. Er machte meinen Vater unwiderstehlich. Er kaufte sich einen gelben. Wieder einer der ersten Serie. Keine weiteren Geschwister. Unglücklicherweise verkauften meine Eltern auch diesen Wagen, statt ihn irgendwo in eine Garage zu stellen – die wir nicht hatten. Es folgte ein Taunus. Verkauft.

Geerbter Poscher

Meinen Poscher, was Autos angeht, habe ich von meinen Eltern in die Wiege gelegt bekommen. Und inzwischen müssen wir nicht mehr bei jeder Familienfeier darüber diskutieren, dass meine Eltern die Escorts außer Haus gegeben haben. Es tut ihnen inzwischen wohl schon selber leid. Der Wagen hat nämlich bis heute nichts von seinem Sexappeal eingebüßt. Unglücklicherweise konnte ich mir bis heute nur einen Taunus leisten. Auf den Escort spare ich noch. Blöderweise werden die Kisten schneller teurer, als ich es schaffe, Geld auf die Seite zu legen.

Einen Taunus hab ich inzwischen im Fuhrpark, aber der ist nicht sexy genug, um mich zum Vater zu machen.
Foto: Wolf-Dieter Grabner

Dennoch, ich habe aus dem Fehler meiner Eltern gelernt und in den letzten 15 Jahren nur ein einziges Auto verkauft. Ich hatte ihn doppelt, und er war gelb. Was uns zu einem anderen Problem bringt: Ich habe keinen Escort – und keine Kinder. Aber irgendwer wird sich schon derbarmen ...

Welches Auto lässt Sie nicht in Ruh'? Was hätten Sie nie aus der Hand geben dürfen, und welche Geschichte steckt bei Ihnen dahinter? Haben Sie auch überlegt, den verlorenen Schatz wieder zu kaufen? Haben Sie es gar gemacht und sind jetzt total (un)glücklich? Natürlich gelten auch romantische Erzählungen von Motorrädern. Keine Frage. (Guido Gluschitsch, 9.3.2018)