Heribert Bruchhagen (links) arbeitete seit 2016 beim HSV, Jens Todt seit Jänner 2017.

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Griff durch: der erst kürzlich gekürte Präsident Bernd Hoffmann.

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Hamburg – Vorstandschef Heribert Bruchhagen und Sportdirektor Jens Todt müssen den Hamburger SV mit sofortiger Wirkung verlassen. Der Aufsichtsrat des abstiegsbedrohten Bundesligisten unter seinem neuen Vorsitzenden Bernd Hoffmann habe Bruchhagens Freistellung beschlossen, teilte man am Donnerstag mit.

Hamburg ist Vorletzter und hat sieben Punkte Rückstand auf den Relegationsplatz. Der erste Abstieg der Vereinsgeschichte droht intensiver denn je. Am Samstag muss der HSV beim überlegenen Tabellenführer Bayern München antreten.

"Wir haben uns nach eingehender Analyse der Gesamtsituation zu diesem Schritt entschieden und widmen uns nun der Neuausrichtung", wurde Hoffmann zitiert. Bruchhagen hatte das Amt als Nachfolger von Dietmar Beiersdorfer Ende 2016 übernommen.

Die Führung der HSV Fußball-AG liege nun allein in den Händen des bisherigen Finanzvorstands Frank Wettstein, hieß es. Wettstein habe sich zudem für die Beurlaubung von Jens Todt entschieden, der seit Jänner 2017 im Amt war. "Wir wollen uns für die Zukunft neu aufstellen", begründete Wettstein.

Gnadenfrist für Trainer Hollerbach

Am Trainer will er jedoch nicht rütteln. Bernd Hollerbach, erst seit 45 Tagen im Amt, soll zumindest vorerst bleiben. Das Vertrauen scheint jedoch situationselastisch ausgeprägt zu sein: "Stand heute halte ich einen Trainerwechsel nicht für möglich. Hollerbach ist Bestandteil des Teams", sagte Wettstein.

Der 48-jährige Coach hat den Klassenerhalt noch nicht abgeschrieben. "Ich glaube weiter daran, es ist noch nichts entschieden", so Hollerbach. "Es wird bis zum Schluss alles reingehauen und dann abgerechnet." Fragen zu den Entlassungen wollte er nicht beantworten, sprach aber davon, dass zuletzt "immer viel Unruhe" rund um den HSV geherrscht habe. Seinen Spielern rate er, "im Moment" nicht so viel zu lesen. In München will Hollerbach "mutig auftreten" und sich "nicht nur hinten reinstellen". Zuletzt erlebte der HSV bei den Bayern zum Teil drastische Debakel. 0:8, 0:5, 0:8, 1:3, 2:9, 0:5, 0:6 – in den letzten sieben Partien in München kassierte der HSV 44 Tore. Der letzte Punktegewinn ist zehn Jahre her.

Verein "gut aufgestellt"

Bruchhagen, der bereits in den 1990er-Jahren den HSV gemanagt hatte, reagierte mit Verständnis. Er übernehme die Verantwortung für die sportliche Krise und wünsche dem Klub alles Gute: "Ich drücke dem HSV weiter die Daumen."

Man sei zu der Auffassung gekommen, einen Impuls setzen zu müssen, erklärte Hoffmann. Er war am Mittwochabend einstimmig zum neuen Aufsichtsratschef der HSV Fußball AG bestimmt worden und hatte danach sofort durchgegriffen: Er setzte Bruchhagen vor die Tür, anschließend informierte Wettstein Todt über dessen Freistellung.

Trotz des personellen Kahlschlags sieht Hoffmann, der erst vor 18 Tagen zum Präsidenten des Muttervereins Hamburger SV e. V. gewählt worden war, den HSV "gut aufgestellt, Weichen zu stellen. Die Räder würden nicht stillstehen." Jedoch: Obwohl die Planungen – egal für welche Liga – nun intensiv betrieben werden müssen, will sich Hoffmann bei der Suche nach einem neuen Klubchef Zeit lassen.

"Wir werden nicht den Fehler der letzten Jahre machen, sofort eine neue Lösung auf einer Position zu präsentieren", so Hoffmann, der die Hanseaten selber als Vorstandsvorsitzender von 2003 bis 2011 führte. Damals fuhr der aus dem Marketing kommende 55-Jährige in Hamburg einen teuren Expansionskurs.

Eine Rückkehr als Klubchef strebt Hoffmann laut eigener Aussage aber nicht an. "Ich möchte nicht Vorstandsvorsitzender werden, ich möchte die beste Lösung für den HSV." Investor Klaus-Michael Kühne habe keinen Einfluss auf die Entscheidung genommen, Bruchhagen zu entlassen. Dessen Vertrag war erst im Dezember bis 2019 verlängert worden.

Schmadtke und Heldt im Gespräch

Wettstein sucht parallel nach einem neuen Sportchef, zuletzt wurden dafür der derzeit vereinslose Jörg Schmadtke und Hannovers Manager Horst Heldt gehandelt. "Wir sind voll handlungsfähig", beteuerte Wettstein. "Wir laufen keine Gefahr, dass der HSV auseinanderfliegt." Doch genau das befürchten die Anhänger des sechsfachen deutschen Meisters, der seit Jahren um den Klassenerhalt kämpft. Aktuell weist der HSV die schwächste Bilanz der Klubgeschichte auf, ist seit zwölf Bundesligaspielen sieglos. (sid, red, 8.3.2018)