Das Forschungsschiff Pelagia auf Fahrt.

foto: Alexander Bochdansky

Gerhard J. Herndl war am Royal Netherlands Institute for Sea Research (NIOZ) von 1997 bis 2008 Leiter der Abteilung Biologische Ozeanographie und war mehrmals mit dem Forschungsschiff auf Fahrt.

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An Bord der Pelagia bei der Arbeit mit den Messsensoren.

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In der langen Geschichte der Erde gab es immer Phasen der Erwärmung und Abkühlung. Der "natürliche Treibhauseffekt" – kurzwelliges Sonnenlicht, das in langwellige Wärmestrahlung umgewandelt und absorbiert wird – ermöglicht erst Leben auf unserer Erde. Seit Beginn der Industrialisierung verändert jedoch der Mensch die Zusammensetzung der Atmosphäre durch das Freisetzen von Kohlendioxid und anderen Spurengasen unverhältnismäßig. Die Folge ist vieldiskutiert, die Erdoberfläche erwärmt sich. Das Pariser Klimaschutzabkommen sieht deshalb vor, die Erderwärmung innerhalb von zwei Grad Celsius zu halten. Das erfordert eine massive Reduktion der Emission von Kohlendioxid und anderen Treibhausgasen. Neben der Nutzung alternativer Energiequellen anstelle von Erdöl sind auch Eingriffe in das System Ozean in Diskussion.

Ist der Ozean der richtige Ort für biologisches Klimamanagement?

Der größte Wärmespeicher der Erde ist der Ozean, denn seit 1900 nahm er insgesamt 93,4 Prozent der Erwärmung auf, während Kontinente nur zwei Prozent, die Atmosphäre 2,4 Prozent, Eiskappen der Pole und Gletscher zusammen 2,2 Prozent aufnahmen. Das macht ihn für biologisches Klimamanagement besonders interessant.

In den sonnendurchfluteten Oberflächengewässern nehmen vorwiegend einzellige Algen Kohlendioxid auf und bauen mithilfe des Sonnenlichts als Energiequelle sowie von Nitrat und Phosphat als Nährstoffen Biomasse auf. Diese Algen wachsen sehr rasch – alle zwei Tage verdoppelt sich ihre Biomasse –, wenn sie nicht durch tierisches Plankton beweidet werden. Das Wachstum der Algen ist fast im gesamten Ozean durch die Verfügbarkeit der Nährstoffe Nitrat und Phosphat begrenzt. Nur rund um die Antarktis finden sich Gewässer, die ganzjährig relativ hohe Konzentrationen an Nitrat und Phosphat aufweisen.

Eisengedüngte Algen als Klimaretter?

Untersuchungen zeigten, dass dort, im Südozean, das Algenwachstum durch einen Nährstoff begrenzt wird, der nur in sehr geringen Mengen benötigt wird: Eisen. Durch das Einbringen von Eisen in die Oberflächengewässer des Südozeans kann man großflächig Algenblüten generieren, wie internationale Studien ergaben. Die Algenblüte führt dazu, dass Kohlendioxid aus der Atmosphäre über die Wasseroberfläche in das Meer gezogen und dort in Algenbiomasse umgewandelt wird. In der Folge wird diese Biomasse entweder beweidet und sinkt in Form von Kotballen in die Tiefsee oder stirbt unbeweidet ab, um sich ebenfalls in die Tiefsee als totes organisches Material am Meeresboden abzulagern. Da in den Tiefen des Ozeans nur Temperaturen von null bis zwei Grad Celsius herrschen, wird diese tote Biomasse nur sehr langsam durch die Tiefsee-Organismen veratmet. Somit würde Kohlendioxid in der Tiefsee über Jahrhunderte gelagert und aus der Atmosphäre entfernt werden.

Diese Methode hat allerdings einen Haken, denn dieser Algenbiomasse-Transfer in die Tiefsee ist nicht in jedem Fall ausreichend effizient. In einigen großflächigen Experimenten wurde die durch Eisendüngung produzierte Algenbiomasse schon in den obersten 500 Metern der Wassersäule von tierischem Plankton veratmet. Sie gelangte also nicht in die Tiefsee, sondern war in wenigen Wochen wieder als Kohlendioxid in der Atmosphäre. Zudem stellt diese Art des biologischen Klimamanagements einen massiven Eingriff in das Ökosystem dar, dessen Konsequenzen nicht absehbar sind. Somit herrscht unter Fachleuten Konsens, dass Eisendüngung keine wirkliche Option ist, die Kohlendioxidkonzentration der Atmosphäre zu reduzieren.

Natürliche Algendüngung aus der Tiefsee als Ausweg?

In sogenannten Auftriebsgewässern an der Westseite von Kontinenten wird nährstoffreiches Wasser aus der Tiefsee langsam in die sonnendurchfluteten Oberflächengewässer gezogen. Diese nährstoffreichen Auftriebsgewässer, wie das Bengula-Auftriebssystem vor Namibia oder das Humboldt-Auftriebssystem vor Peru und Chile, ermöglichen intensives Algenwachstum und sind somit hochproduktive Gewässer und daher wichtige Regionen für die Fischerei.

Man könnte auch künstliche Auftriebsregionen schaffen, indem man das nährstoffreiche Tiefenwasser an die Oberfläche bringt. Dazu müsste man entweder die Temperatur des kalten Tiefenwassers erhöhen, um es zum Aufsteigen zu bringen, oder eine Konvektionsströmung zwischen Oberflächen- und Tiefenwasser herstellen. In beiden Fällen würde man intensive Algenblüten erzeugen und damit nicht nur Kohlendioxid aus der Atmosphäre in den Ozean ziehen, sondern gleichzeitig für höhere Fischerträge sorgen. Das könnte auch das Problem der Überfischung zumindest teilweise lösen.

Die Optionen, den Ozean zum biologischen Klimamanagement zu verwenden, sind allesamt problematisch, weil sie große Veränderungen der Lebensgemeinschaften im Ozean zur Folge hätten. Auch die Konzentration und Verflüssigung von Kohlendioxid und seine Speicherung in den Tiefen des Ozeans, wie sie vor Norwegen versucht wird, scheinen nicht sehr effektiv zu sein. Die Ursachen des Temperaturanstiegs auf der Erde sind bekannt und wissenschaftlich gut belegt, ihre Konsequenzen für die Menschheit sind vielschichtig und reichen vom Anstieg des Meeresspiegels bis hin zu massiven Klimaveränderungen. Betroffen davon sind meist ärmere, weniger entwickelte Länder und nicht so sehr die Industrienationen, die jedoch wesentliche Verursacher des Problems sind.

Der weite Ozean ist ein wesentlicher Teil im globalen Kreislauf des Kohlendioxids, bietet aber wenige Möglichkeiten, mit Klimamanagement die Konzentration an Kohlendioxid im System Erde zu reduzieren, ohne gleichzeitig fundamental den Ozean zu verändern. Der politische Gestaltungswille, den Verbrauch von fossilen Brennstoffen drastisch und rasch zu reduzieren, ist jedoch in allen Ländern sehr beschränkt. Es liegt aber auch an uns selbst, durch Änderungen unserer Lebensgewohnheiten zur Reduktion des Kohlendioxids beizutragen und somit dem Klimawandel entgegenzuwirken. Kleine Änderungen unserer Lebensgewohnheiten werden aber nicht ausreichen, um den Anstieg von Kohlendioxid in der Atmosphäre mit all seinen Konsequenzen zu stoppen!

Klima managen – ja oder nein?

Die essenzielle Frage zum Klimamanagement ist: Wollen wir unsere wissenschaftlichen Erkenntnisse und technischen Möglichkeiten nutzen, um die Faktoren, die unser Klima bestimmen, zu managen und somit unsere Umwelt noch weiter zu beeinflussen und zu verändern, als wir das ohnehin schon praktizieren? Globales Klimamanagement in Bezug auf Kohlendioxidreduktion im Meer ist machbar, aber mit Risiken verbunden, die noch nicht abzuschätzen sind. Wenn wir allerdings nicht rasch etwas unternehmen, werden wir das Klimaziel, die Erderwärmung auf maximal zwei Grad Celsius zu beschränken, sicher nicht erreichen. Und dann haben wir vielleicht gar keine andere Wahl mehr, als auf Klimamanagementmaßnahmen zurückzugreifen, wollen wir nicht wirklich heißen Zeiten entgegensehen. (Gerhard J. Herndl, 12.3.2018)

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