Was soll Europa tun, wenn ein amerikanischer Präsident den Welthandel nicht versteht? Donald Trump glaubt tatsächlich, dass eine Volkswirtschaft wie ein Unternehmen funktioniert, dessen Geschäft der Export ist – und ein Außenhandelsdefizit daher ein finanzieller Verlust. Dass die US-Industrie und vor allem die Verbraucher von ausländischen Gütern profitieren, die besser und billiger sind, und Protektionismus der Wirtschaft massiv schadet, will der Geschäftsmann Trump nicht begreifen. Leider tun das einige schrullige Ökonomen auch nicht, und die haben derzeit sein Ohr. Der Abgang von Chefwirtschaftsberater Gary Cohn dürfte diese intellektuell-politische Schieflage noch verschärfen.

Aber auch die EU tut sich schwer, in der Außenhandelspolitik zwischen Eigeninteresse, Taktik und Emotion zu unterscheiden. Die Union ist ebenso wie die USA an die Regeln der Welthandelsorganisation WTO gebunden. Diese erlaubt zwar Strafzölle als Reaktion auf unfaire Handelspraktiken – aber nur nach dem rechtskräftigen Urteil eines Schiedsgerichts. Als George W. Bush 2002 Zölle auf Stahlimporte verhängte, klagte die EU-Kommission bei der WTO und erhielt recht. Die USA hoben die Zölle 19 Monate später wieder auf.

Anders als bei den Strahlzöllen 2002

Diesmal ist vieles anders: Dass sich Trump einer WTO-Entscheidung unterwirft, ist unwahrscheinlich. Eher tritt er aus der Organisation aus und zerstört damit die Grundlage des geregelten Welthandels. Dennoch plant die EU eine Klage, droht aber, das Urteil nicht abzuwarten, sondern sogleich Vergeltung zu üben. Die angekündigten Strafzölle auf Produkte von Harley-Davidson-Bikes bis Whiskey, die wichtigen US-Politikern wehtun sollen, sind nach einem siegreichen WTO-Verfahren zulässig. Werden sie allerdings davor verhängt, dann verstößt man zumindest gegen den Geist der Verträge genauso wie die USA. Die juristischen Rechtfertigungen für ein solches Vorgehen sind hauchdünn. Erlaubt wären zwar Schutzzölle auf Stahlimporte, die von Amerika nach Europa umgeleitet werden. Doch das würde vor allem Brasilien, Südkorea und China treffen, nicht aber die USA.

Tatsächlich gibt es kaum Zweifel, dass die EU vor der WTO gewinnen würde. Die Begründung des Weißen Hauses, die Zölle dienten der nationalen Sicherheit, wird von Trumps eigenen Aussagen und versprochenen Ausnahmen für Länder wie Mexiko und Kanada untergraben. Aber ohne WTO-Sanktus sind Vergeltungsmaßnahmen Selbstjustiz – und schwächten die Organisation noch mehr. Und Zölle in Milliardenhöhe würden auch Europas Unternehmen und Verbraucher viel kosten.

Drohungen funktionieren nicht

Wahrscheinlich wollte die Kommission mit der Ankündigung konkreter Schritte Druck auf die US-Regierung ausüben. Das hat nicht funktioniert. Trump reagiert auf Drohungen mit Aggression – und inzwischen richtet sich sein größter Zorn nicht mehr gegen China, das den Großteil des US-Handelsdefizits verursacht, sondern gegen die europäischen Verbündeten. Dass bei einem verhaltensgestörten Kind – und nichts anderes ist Trump – Einschüchterung nicht funktioniert, ist bekannt.

Das Welthandelssystem steht auf der Kippe und damit der globale Wohlstand. Aus Washington ist keine Vernunft zu erwarten. Es liegt an der EU, mit taktischer Klugheit das Beste aus einer verfahrenen Situation zu machen. Mit eigenem Protektionismus, so populär er in manchen Kreisen auch sein mag, täte sie das Gegenteil. (Eric Frey, 8.3.2018)