Bild nicht mehr verfügbar.

Die Vorbereitungen für den FN-Parteitag laufen auf Hochtouren.

Foto: REUTERS/Pascal Rossignol/

Er habe "Mitleid mit ihr", sagt der Vater. Tapfer müht sich Marine Le Pen (49) durch die Fernsehstudios, und am Sonntag wird sie auf dem Kongress des Front National (FN) in Lille eine kämpferische Chefrede halten. Nahestehende schildern sie aber als "deprimiert". Seit ihrem blamablen TV-Streitgespräch mit Präsidentschaftskandidat Emmanuel Macron im letzten Frühjahr, als sie mit einem aggressiven und improvisierten Auftritt ihre letzte Wahlchance vermasselte, ist die Luft draußen. Marine Le Pen sagt es selbst: "Politik bringt nur Leid."

Papas Mitleidsbekundung ist natürlich pure Heuchelei: In Wahrheit stellte sich Jean-Marie Le Pen mit der Publikation seiner Memoiren kurz vor dem FN-Parteitag selbst seiner Tochter vor die Sonne.

Mögliche Umbenennung

Ihre Absicht, dem Kongress die Änderung des Parteinamens Front National zu unterbreiten, bezeichnet er als "absurd" und als "Verrat". Marine Le Pen will sich mit dem neuen Namen – nach letzten Gerüchten "les Nationaux" (die Nationalen) – vom Schatten des Parteigründers befreien. Und die Bewegung gleich auch von ihrem rechtsextremen Etikett. Doch wie Papa freundlicherweise anmerkt: "Ihre Verbindung zu mir wird sie nur los, wenn sie Selbstmord begeht."

Weniger offen, aber umso gefährlicher gehen zwei andere Klanfreunde Marine Le Pens vor. Ihre ehemalige rechte Hand Florian Philippot gründete im Februar in Arras, nur vierzig Kilometer von Lille entfernt, eine eigene Partei namens Les Patriotes. Damit rächte er sich dafür, dass ihn die FN-Chefin für die verlorene Präsidentenwahl verantwortlich gemacht und aus der Partei geekelt hatte. Bei Nachwahlen in Ostfrankreich haben die "Patrioten" zwar nicht mehr als zwei Prozent erhalten, doch das genügt, um die FN-Wählerbasis zu schwächen.

Neuer Star Marion

Le Pens Nichte Marion Maréchal-Le Pen hatte ihr Abgeordnetenmandat in Südfrankreich schon im vergangenen Sommer niedergelegt. Erst 28-jährig, ist die "Identitäre" schon überaus populär in der katholischen Rechten. So populär, dass das Satireblatt "Canard enchaîné" die Front-National-Chefin warnt: "Der FN sucht einen neuen Namen: Marine könnte bald Marion heißen."

So weit ist es noch nicht. Aber die Vertreterin der dritten Le-Pen-Generation sägt schon wacker am Stuhl ihrer Tante. Bei der jüngsten Konferenz der amerikanischen Rechtskonservativen (CPAC) trat Marion Maréchal-Le Pen nach US-Vizepräsident Mike Pence und vor Präsident Donald Trump auf. Mit ihrem perfekten Englisch und dem Slogan "France First" neben "America First" erntete sie tosenden Applaus.

Das klang wohl wie Hohn in den Ohren von Marine Le Pen: Des Englischen nicht mächtig, hatte sie vor gut einem Jahr stundenlang im Trump-Tower gewartet, um einen Fototermin mit dem gerade neu gewählten Präsidenten zu ergattern. Und das vergeblich.

Am Parteitag muss sich vor allem zeigen, über wie viel Rückhalt die FN-Chefin an der Basis bewahrt. Das hängt wohl auch davon ab, ob sie bereit ist, ihr altes Lieblingsfeindbild EU hintanzustellen. Für die FN-Wähler hat ein Ausstieg aus dem Euro oder gar der EU laut neuen Umfragen keine Priorität. Sie wollen zuerst der Einwanderung einen Riegel vorschieben. Nach den Wahlerfolgen ihrer Gesinnungsfreunde in Österreich (FPÖ), Deutschland (AfD) und Italien (Lega) hätte Marine Le Pen alles Interesse, in Lille ebenso laut auf die Pauke zu hauen.

Le Pens Dilemma

Ihr Problem ist: Zugleich will sich die Parteichefin möglichst gemäßigt geben. Wenn sie den Parteinamen ändern möchte, dann auch, um die Bereitschaft zu Allianzen mit anderen Parteien zu signalisieren. Nur so kann sie aus der politischen Isolation gelangen. Bloß: Wer will schon mit den Frontisten ins Boot steigen?

Nicht die konservativen Republikaner, die unter ihrem neuen Vorsteher Laurent Wauquiez zwar nach rechts driften, aber nur, um Le Pen Stimmen abzujagen. Und sicher auch nicht die zwar ebenso eurokritischen, aber stramm linken "Unbeugsamen" von Jean-Luc Mélenchon. Ob mit neuem Namen oder nicht: So rasch wird Marine Le Pen in Frankreich nicht mehrheitsfähig. (Stefan Brändle aus Paris, 9.3.2018)