Wir glauben, dass die schlimmsten Diebe und die schlimmsten Terroristen der Welt heute die Amerikaner sind. Nichts kann euch aufhalten, außer vielleicht, wenn wir uns mit gleicher Münze rächen. Wir dürfen nicht zwischen Militär und Zivilpersonen unterscheiden." Im März 1997 strahlt CNN das in den Bergen des Hindukusch aufgenommene Interview mit Osama Bin Laden aus, in dem der Terrorist den USA vor laufender Kamera den Jihad erklärt.

Die Öffentlichkeit in den Staaten zeigt sich kurz erschrocken, um sich rasch wieder unterhaltsameren Themen zu widmen: Monica Lewinsky, Rekordgewinne an der Wall Street, Monica Lewinsky, Viagra erobert den Markt, Monica Lewinsky.

Wie sehr zunächst auch an den US-Behörden vorbeigegangen war, was dreieinhalb Jahre später den Westen in seinen Grundfesten erschüttern sollte, zeigt die Serie The Looming Tower ab heute, Freitag, auf Amazon Prime.

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FBI-Chef Louis Freeh zum Beispiel: Nach der Ausstrahlung des Interviews versucht John O'Neill (Jeff Daniels), Chef der auf Terrorbekämpfung spezialisierten I-49 Squad, das Oberhaupt der Ermittlungsbehörde telefonisch zu erreichen. "Wo ist er?", fragt O'Neill die Assistentin. "Ich nehme an, er versucht zu schlafen", lautet die Antwort. Nach den Anschlägen auf die US-Botschaften in Nairobi und Daressalam wird Freeh auf Urlaub sein.

The Looming Tower basiert auf Recherchen des amerikanischen Schriftstellers und Pulitzerpreisträgers Lawrence Wright, der 2006 in dem gleichnamigen Buch (auf Deutsch: Der Tod wird euch finden. Al Kaida und der Weg zum 11. September) den Aufstieg von Al-Kaida und die Vorgeschichte des 11. September beschrieb.

Fortschritte und Fehlschläge

Unzählige Puzzleteilchen waren notwendig, damit das Vorhaben der Al-Kaida aufging. Mit zum Teil reportagehafter Genauigkeit stellt The Looming Tower die akribische Vorarbeit der Terroristen nach (Bartrasur!), spielt Fortschritte und Fehlschläge in der Ermittlungstätigkeit durch und hebt einen Sachverhalt hervor, der wesentlich zum "Gelingen" der Anschläge beitrug und den Bin Laden und Al-Kaida nicht unmittelbar beeinflussen konnten, ihnen vielmehr in die Hände spielte: die bisweilen ins Absurde abgleitende Konkurrenz zwischen CIA und FBI – in der Serie dargestellt von Peter Sarsgaard auf der einen Seite sowie Daniels und Tahar Rahim, der den FBI-Agenten Ali Soufan spielt, auf der anderen.

Foto: Amazon

Fast alle Namen wurden originalgetreu beibehalten. Der "echte" Ali Soufan und das FBI berieten die Serienmacher, allen voran Showrunner Dan Futterman.

Zumindest in den ersten beiden Folgen, die der STANDARD vorab gesehen hat, steigt die CIA in der Darstellung schlechter aus: Blockieren, sabotieren und ignorieren scheint deren oberste Devise.

Arroganz und Dummheit

Während die FBI-Einheit fieberhaft nach Hinweisen sucht, scheint die CIA Ermittlungserfolge in einer Mischung aus Arroganz und Dummheit ein ums andere Mal zu vergeigen, als man etwa einen Hinweis auf die Anschläge in Nairobi und Daressalam 1998 nicht beachtet hatte.

Dass die Detailgenauigkeit nicht auf Kosten der Spannung geht, dafür bürgt das serielle Gefäß: Zehn Folgen erlauben dichtes Erzählen und atmosphärische Genauigkeit. (Doris Priesching, 9.3.2018)