Bild nicht mehr verfügbar.

Wang Quishan hat viel Erfahrung in der internationalen Politik – und im Kampf gegen Korruption.

Foto: AP/Ng Han Guan

Bild nicht mehr verfügbar.

Sicherheitspersonal bewacht den Eingang zum Plenarsaal in der "Großen Halle des Volkes" in Peking. Die etwa 3000 Mitglieder des Nationalen Volkskongresses tagen hier mehr als zwei Wochen lang.

Foto: AP/Aijaz Rahi

Die Kamera des Staatsfernsehens zeigte zur Eröffnung des Volkskongresses jedes einzelne der sieben Mitglieder des Politbüro-Ausschusses, der höchsten Inneren Führung Chinas, die im Präsidium Platz nahmen. Danach rückte der Funktionär Wang Qishan ins Bild. Eigentlich hätte er da weder sitzen noch so prominent vom Fernsehen herausgestellt werden dürfen. Blogger spotteten, Wang sei wohl das "achte Mitglied im Ständigen Ausschuss". Und sie spekulierten über ein offenes Geheimnis: Der Volkskongress soll Wang nach der Wiederwahl von Xi Jinping zum Staatspräsidenten zu dessen neuem Vize küren. "Wir erleben den zweiten Aufstieg des Wang Qishan."

Wer ist dieser Wang, der gleich zu Beginn der sozialistischen Parlamentstagung so viel Unruhe auslöste? Reporter der South China Morning Post (SCMP) beobachteten erstaunt, wie Mitglieder der Parteielite sich drängten, Wang als Erste im Präsidium mit Handschlag zu begrüßen. Obwohl der 69-Jährige eigentlich ein politischer Rentner ist. Wang trat vergangenen Wahlparteitag im Oktober aus Altersgründen seinen Sitz im Ständigen Ausschuss ab. Bis dahin hatte sein Name Furcht unter Millionen Funktionären ausgelöst. Er leitete fünf Jahre lang Chinas allmächtige Antikorruptionsbehörde. Vor ihrem Zugriff war in der Partei niemand sicher. Wang wurde so zu Xis wichtigstem Verbündeten bei dessen großer innerparteilicher Säuberung. Er stärkte seine absolute Herrschaft.

Politisches Comeback

Schon allein deshalb wollte Xi seinen Freund aus Jugendjahren und loyalen Vertrauten nicht in den Ruhestand schicken. Er plant, ihn erneut an seine Seite zu holen – als Vizepräsidenten. Wenn die Wahl am 17. März glatt über die Bühne des Volkskongresses geht, würde Wang – als einzigem unter allen ehrenvoll von der Partei verabschiedeten Führern – das politische Comeback gelingen.

Wang bringt alles mit, was Xi braucht. Als Vizepräsident mit erweiterten Befugnissen in der Außenpolitik und, wie bereits gemunkelt wird, auch als Vizechef im Nationalen Sicherheitsrat soll er Xi als Feuerlöscher für die erwarteten weltweiten Konflikte dienen. Singapurs legendärer 2015 verstorbener Seniorführer Lee Kuan Yew, der Wang gut kannte, nannte ihn 2011 den "besten Unterhändler" Chinas. Er könne nur hoffen, dass Wang nie "in Rente geht. Niemand übertrifft ihn in seinem Pragmatismus, der Schärfe seines Intellekts oder seinem Humor".

Wang sei erste Wahl, um die künftigen Beziehungen zwischen der Supermacht China und den USA zu managen. Er sei mit den Netzwerken aus Politik und Wirtschaft in den USA vertraut wie kein anderer, sagte der frühere US-Finanzminister Henry Paulson. In seinem Buch Dealing with China erinnert er sich an dutzende Begegnungen und ihre enge Zusammenarbeit zur Eindämmung der Weltfinanzkrise nach 2008. Hinter den Kulissen habe der damalige Vizepremier gemeinsam mit Washingtons Finanzpolitikern versucht, die drohende absolute Finanzkatastrophe abzuwenden. Paulson nennt Wang einen "Freund und Vertrauten" seit mehr als 15 Jahren und lobt seine Wirtschafts- und Handelsexpertise.

Wang, der nach einer Karriere als Leiter mehrerer chinesischer Staatsbanken und auch der Notenbank Vizeprovinzführer in Guangdong wurde, ließ dort 1997 erstmals eine hochverschuldete staatliche Investitionsgesellschaft (GITIC) in Konkurs gehen. Paulson hält ihn für einen wirklichen Reformer.

Duo auf Lebenszeit

Innenpolitisch wurde Wang mehrfach als Krisenmanager für hausgemachte Probleme zu Hilfe gerufen. 2003 holte ihn die chinesische Führung als Bürgermeister nach Peking, um unter Ministern und Behörden aufzuräumen. Sie hatten den größten Gesundheitsskandal Chinas verursacht, als sie die ausgebrochene Sars-Epidemie verschleierten. Wang überwachte auch die Vorbereitungen zu den Olympischen Sommerspielen 2008. Als ihn ein ausländischer Investor damals um Visitenkarte und Unterstützung bat, habe Wang nur gescherzt, schrieb Robert Lawrence Kuhn, US-Biograf der chinesischen Führung: "Wenn die Spiele erfolgreich sind, steige ich so weit auf, dass ich Ihnen nicht mehr helfen kann. Und wenn nicht, dann habe ich nicht mal mehr ein Telefon."

Das kommende Präsidentenduo wirkt wie ein neuer Dreh, mit dem Xi über die personalpolitische Schiene seine Herrschaft weiter zementiert. Zugleich hat er eine Verfassungsänderung durchgesetzt, über die der Volkskongress kommenden Sonntag abstimmen soll: Die Beschränkung auf bisher zwei Amtszeiten für den Präsidenten und den Vizepräsidenten der Volksrepublik wird gestrichen. Xi und Wang könnten dann sogar auf Lebenszeit regieren. (Johnny Erling aus Peking, 9.3.2018)