Die internationalen Stahlhandelsströme könnten sich bei der Verhängung von Strafzöllen verschieben. Vor allem China ist gewarnt.

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Washington/Brüssel/Wien – Es ist eine Taktik der Drohgebärden und Nadelstiche, die derzeit die internationale Handelspolitik prägt. Der US-Präsident poltert, andere Blöcke wie die EU schwanken zwischen Standfestigkeit und Diplomatie. Die Europäische Union hat zwar Gegenmaßnahmen für den Fall, dass Donald Trump Strafzölle auf Stahl- und Aluminiumimporte einhebt, angekündigt. Doch mit nicht einmal drei Milliarden Euro sind die betroffenen amerikanischen Ausfuhren eher gering. Das entspricht in etwa einem Prozent der US-Exporte nach Europa.

Schmerzhaft können derartige Stiche dennoch sein: für die einzelnen Unternehmen wie Harley-Davidson oder Levis-Jeans ebenso wie für die Politik. Denn die EU-Kommission hat die potenziellen Sanktionskandidaten nicht nur nach rein wirtschaftlichen Kriterien ausgesucht. Erstaunlich viele Hersteller stammen aus Bundesstaaten, aus denen prominente republikanische Politiker kommen. Harley-Davidson etwa hat seinen Sitz in Wisconsin – der Heimat des Sprechers des Repräsentantenhauses, Paul Ryan. Sein Pendant im Senat, Mitch McConnell, ist aus Kentucky, wo viele der auf der Sanktionsliste stehenden Bourbons wie Jim Beam oder Four Roses gebrannt werden.

Spitze gegen Bush

Orangensaft ist fast schon ein Klassiker auf den Sanktionslisten: Als George W. Bush 2002 versuchte, die Stahlindustrie zu schützen, wurde das Getränk von der EU mit Sonderzöllen belastet. Erzeugt wird Orangensaft vor allem in Florida, wo damals ein gewisser Jeb Bush als Gouverneur amtierte. "Psychologische Kriegsführung" nennt die Handelsexpertin Susanne Schrott derartige Praktiken. Man wolle die politischen Ak teure treffen. Auch Produkte aus Swing-States, bei denen die Entscheidung zwischen Republikanern und Demokraten traditionell knapp ist, sind oft gefährdet.

Ob wegen des Drucks der EU oder aus anderen Gründen – einige Politiker sprachen sich gegen die Verhängung von Zöllen aus. Paul Ryan zählt zu ihnen. Am Donnerstag versuchten 107 republikanische Abgeordnete des US-Repräsentantenhauses, den US-Präsidenten von seinen Strafzollplänen abzubringen. Davor hatte schon McConnell Trump zur Zurückhaltung aufgefordert.

Das beschäftigte Trump offensichtlich. Die Nafta-Partner Kanada und Mexiko sollen vorerst von den 25-prozentigen Zöllen auf Stahl und zehnprozentigen Aufschlägen auf Aluminium ausgenommen sein, verkündete Trump spätabends. Ob es für andere Verbündete auch eine Extrawurst geben wird, wie sein Wirtschaftsberater Peter Navarro andeutete, war zunächst nicht klar. Trump appellierte an Unternehmer aus aller Welt, in die USA zu kommen. "Es wird keine Steuern auf Produkte in den USA geben", sagte er – flankiert von Fabrikarbeitern und Spitzen seiner Regierung, darunter Vizepräsident Mike Pence.

Eine Hintertür ließ sich Trump offen: Die USA würden "Flexibilität" gegenüber "befreundeten Staaten" zeigen, seien bereit, Strafzölle für einzelne Staaten zu modifizieren oder aufzuheben.

Sorge um Automarkt

Einen gewissen Eindruck dürften die von der EU angekündigten Gegenmaßnahmen also hinterlassen haben. Sie bestehen einerseits aus den Zöllen auf Produkte amerikanischer Unternehmen, die laut Wirtschaftskammer-Expertin Schrott auch ohne WTO-Sanktus der verhängt werden können. Andererseits kann die EU wegen einer drohenden Importflut von Stahl und Aluminium Schutzmaßnahmen verhängen.

Sollte es bei den derzeit auf dem Tisch liegenden Handelsstreitigkeiten bleiben, gelten die Folgen als überschaubar. Mit 14 Milliarden Dollar beziffert das Washingtoner Peterson Institute die Handelsverluste infolge des US-Banns. Am stärksten betroffen wäre Kanada, gefolgt von der EU, Süd korea und Mexiko.

Doch Trump hat angekündigt, Europas Autoindustrie zu bestrafen, sollte die EU Gegenmaßnahmen ergreifen. Allein die deutsche Kfz-Industrie liefert Autos und Teile im Wert von 30 Milliarden Euro in die USA, wo Einfuhren nur mit 2,5 Prozent Zoll belegt sind, während US-Fahrzeuge in Europa mit zehn Prozent Aufschlag bedacht werden.

Was käme als Nächstes? Daniel Schmand von der Internationalen Handelskammer kann sich auch Sanktionen auf iPhones oder das Geschäft von Amazon vorstellen. Dann würden die USA Schaden nehmen. Warum nicht gleich derart scharf geschossen wird? Es gehe dar um, angemessen zu reagieren, sagt Schrott und den Schaden für die Konsumenten in Grenzen zu halten. Harley-Preise betreffen weniger Leute als die des iPhone (Andreas Schnauder, 8.3.2018)