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Allein in Bratislava versammelten sich am Freitag rund 50.000 Menschen zu Protesten gegen den Filz aus Politik und Geschäftemacherei.

Foto: AP Photo/Ronald Zak

Bratislava/Wien – Nach dem Mord am Enthüllungsjournalisten Ján Kuciak und seiner jungen Verlobten kommt die Slowakei nicht zur Ruhe. Am Freitag gab es in Bratislava ein Krisentreffen der Staatsspitzen: Präsident Andrej Kiska traf mit Premierminister Robert Fico und dem Parlamentspräsidenten Andrej Danko zusammen, um über das weitere Vorgehen in einer Situation zu beraten, die sich längst zur veritablen Regierungskrise ausgewachsen hat. Das parteilose Staatsoberhaupt äußerte sich später jedoch unzufrieden mit dem Verlauf des Gesprächs.

Die drei Politiker konnten sich auf keine gemeinsame Erklärung einigen, wie Kiska das ursprünglich angekündigt hatte. Die Menschen im Land würden nun politische Konsequenzen aus dem Mord erwarten, wiederholte Kiska, der bereits vor Tagen einen umfassenden Regierungsumbau oder Neuwahlen gefordert hatte. Für den Montag hat Kiska die drei Regierungsparteien zu weiteren Gesprächen geladen.

Bestechungsaffäre

Premier Fico von der sozialdemokratischen Partei Smer will vorher das Wochenende nutzen, um mit Vertretern seiner Koalitionspartner von der liberalen Partei Most-Híd und der Slowakischen Nationalpartei (SNS) über die nächsten Schritte im politischen Tauziehen zu verhandeln. Zuletzt war vor allem Innenminister Robert Kalinák (Smer) unter Druck geraten, der in einer Bestechungsaffäre der Justizbehinderung verdächtigt wird.

Sonderstaatsanwalt Vasil Spirko hatte am Donnerstag Strafanzeige gegen Kalinák angekündigt. Für Kritiker ist er im Zusammenhang mit der Aufklärung des Mordes an dem Journalisten, der zuletzt über Verbindungen von Politikern und Staatsbeamten zur italienischen Mafia recherchiert hatte, als Innenminister nicht mehr tragbar. Eine Delegation von EU-Abgeordneten, die am Donnerstag nach Bratislava gereist ist, will indes eine gemeinsame Untersuchungskommission mit Europol empfehlen.

Am Abend fanden erneut Demonstrationen gegen den Filz aus Politik und Geschäftemacherei statt, zehntausende Menschen nahmen an den Protesten in mehr als 50 slowakischen Städten teil. Laut Schätzungen der Zeitung "Dennik N" waren allein bei der Kundgebung in Bratislava bis zu 50.000 Menschen. Auch Präsident Kiska unterstützte die Protestaufrufe. (Gerald Schubert, 9.3.2018)