Einstimmig als Parteivorsitzende bestätigt: Marine Le Pen.

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Lille – Ein ganzes Wochenende lang verheimlicht Marine Le Pen den neuen Parteinamen. Im Grand Palais von Lille weckt sie damit gemischte Gefühle – so jedenfalls bei zwei älteren Frauen im Kanarienvogel-Partnerlook. "Ein neuer Parteiname auf meine alten Tage – bitte nicht!", seufzt die Dame in Türkisblau. "Doch, wir müssen Marine helfen, ein neues Kapitel aufzuschlagen", entgegnet ihre Freundin in Zitronengelb.

Denn die Umfragen sind nicht günstig: Nur noch 16 Prozent der Franzosen sind der Ansicht, Marine Le Pen gäbe eine gute Staatspräsidentin ab. Am Stand der FN-Jugend will ein junger Mann namens Kevin den Namen "Front National" ebenfalls aufgeben – der erinnere zu sehr an Jean-Marie Le Pen. Der 89-jährige Parteigründer, den seine Tochter Marine bereits aus dem Front National geworfen hatte, hat am Sonntag per Statutenänderung auch seinen Posten als Ehrenpräsident verloren. "Das ist vorbei", freut sich Ivanka von der FN-Jugend. Aktueller findet sie das Plakat an ihrem Stand. "Sandra übernachtet mit ihrem Sohn seit drei Monaten im Auto", heißt es darauf. "Denn leider ist Sandra nicht Migrantin."

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Die freundlichen Vertreter der FN-Jugendorganisation wollen über alles reden – außer über ihren Vizevorsitzenden Davy Rodriguez. Er bezeichnete den Wachmann einer Bar in Lille während des Parteitages als "Scheißneger", wie ein Handyvideo klar belegt.

"Ehrenmal auf unserer Brust"

Davy wurde als FN-Mitglied "suspendiert". Zuvor hatte er wie alle Parteitagsbesucher der Rede von Steve Bannon gelauscht. Der ehemalige Trump-Berater bedeutete den französischen Frontisten: "Sollen sie euch als Rassisten, Fremdenfeinde, Islamophobe bezeichnen – wir tragen das wie ein Ehrenmal auf unserer Brust."

Tut das gut, von einem Amerikaner zu hören, die Mitglieder des Front National müssten sich ihrer Haltung nicht nur nicht schämen – sie seien sogar Teil einer "erfolgreichen Weltbewegung"! Aus der Arbeiter- und Mittelklasse gebildet, sei sie weder rechts noch links, sondern gegen Banken, Internetriesen wie Google oder das Establishment in Washington und Brüssel, klärt der Amerikaner die Franzosen auf. Bei den jüngsten Wahlen in Italien hätten die Systemgegner gar 62 Prozent Stimmen gemacht.

Zweifelhafter Unterstützer

"Die Geschichte ist auf unserer Seite", fügt der Ex-Chefstratege des US-Präsidenten an und erntet damit frenetischen Applaus. Marine Le Pen küsst ihn auf der Bühne, sichtlich froh über die amerikanische Schützenhilfe für ihre Partei, die seit den verlorenen Präsidentschaftswahlen von 2017 an sich selbst zweifelt. Darob gerät fast in Vergessenheit, dass der Rabauke Bannon kaum der ideale Mann ist, Le Pens betonten Mäßigungskurs zu unterstreichen.

An der folgenden Pressekonferenz wollen die französischen Journalisten von Bannon wissen, warum denn Marine 2017 gegen Emmanuel Macron verloren habe, wenn doch die Nationalen weltweit im Vormarsch seien. Bannon weiß keine Antwort, stimmt aber ein Loblied auf Marion Maréchal-Le Pen an, die kürzlich in den USA aufgetretene Hauptkonkurrentin Le Pens. Betreten lächelnd, muss Marine Bannon vor laufenden Mikros über den "Wettbewerb" zwischen den beiden aufklären.

Rechte "Weltbewegung"

Etwas kleinlauter beeilt sich der Amerikaner klarzumachen, dass er nach Europa gekommen sei, "um zu lernen". Nächstens besucht er Deutschland, Polen und Ungarn. Die "Weltbewegung" aus Populisten und Nationalisten will organisiert sein.

Marine Le Pen versucht ihrerseits, ihre Partei und sich selbst neu aufzustellen. "Ich schlage vor, den 'Front National' in 'Nationaler Zusammenschluss' umzubenennen", lässt sie in ihrer Schlussrede die Katze aus dem Sack. Ihre Partei sei von einer Protest- und Oppositionspartei zu einer Regierungspartei geworden und damit keine "Front" mehr, begründet sie ihren Vorstoß, der noch von den FN-Mitglieder abgesegnet werden muss. "Rassemblement National" solle auch Wahlallianzen mit anderen Parteien ermöglichen.

Vor dem Parteitag selbst hatten nur 52 Prozent für die Notwendigkeit eines Namenswechsels gestimmt. Le Pen selbst wird mangels Gegenkandidat einstimmig als Parteivorsitzende wiedergewählt. Doch ihre fast anderthalbstündige Rede vermag die 3000 Delegierten nicht vom Hocker zu reißen. Dafür spricht sie zu verhalten. Le Pen will eben für breite Kreise wählbar erscheinen. Bei der eigenen Basis gewinnt sie damit nicht. (Stefan Brändle, 11.3.2018)