Jorge Mario Bergoglio ist bei den katholischen Massen beliebt, im Vatikan weniger.

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Am 12. März 2013 begann das Konklave, am 13. März wurde Kardinal Bergoglio als neuer Papst präsentiert.

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Für Benedikt XVI. muss die Situation in den letzten fünf Jahren wohl am schwierigsten gewesen sein. Als "Papa in Pension" mitzubekommen, wie der Nachfolger auf einer Beliebtheitswelle schwimmt, ist hart. Vor allem, wenn die eigene Pontifikatsbilanz nicht unbedingt positiv ausfällt. Der menschenscheue Theologe tat sich im Amt immer schwer. Joseph Ratzinger hat gezeigt, an welche Grenzen ein Papst im kirchlichen Machtsystem stoßen kann. Sein Vorgänger Karol Wojtyla hat gezeigt, welche Macht ein Papst entwickeln kann – Johannes Paul II. hat Weltgeschichte, Benedikt XVI. zumindest Kirchengeschichte geschrieben. Und Jorge Mario Bergoglio?

Die Bilanz nach fünf Jahren auf dem Stuhl Petri fällt durchwachsen aus. Auf der Habenseite des Heiligen Vaters ist jedenfalls das beeindruckende Gespür zu verbuchen, zu wissen, was die katholische Welt braucht: einen Mann in Rom, der die Massen begeistert. Die Jünger wollen nach den mageren Jahren wieder richtig feiern. Franziskus ist stets darauf bedacht, einer von ihnen zu sein. Der Verzicht auf die roten Papstschuhe, das Schlafgemach lieber im Gästehaus als im Apostolischen Palast, ein alter R4 statt des Papamobils – und für die römische Kurie gab es öffentlichkeitswirksam eine auf das mitunter scheinheilige Haupt.

Frischluft für die Kirche

Der ehemalige Erzbischof von Buenos Aires hat das Verständnis des Papstamtes verändert. Oder um die vielzitierte Botschaft des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962- 1965) noch einmal zu strapazieren: Papst Franziskus hat die "Fenster der Kirche weit aufgemacht" – und die Frischluft hat der Kirche spürbar gutgetan. Papst Franziskus hat im Umgang mit den "heißen Eisen" der katholischen Kirche – Zölibat, wiederverheiratete Geschiedene, gleichgeschlechtliche Partnerschaften – deutlich mehr Toleranz an den Tag gelegt als seine Vorgänger. Nicht die Moralkeule regiert, sondern die Barmherzigkeit zählt. Damit hat Franziskus vor allem auch viel Druck aus der Debatte genommen: Die Bischöfe und Kardinäle dieser Welt können getrost nun mit dem Segen des Papstes in Einzelfällen entscheiden – ohne von der Last der Dogmen erdrückt zu werden.

Und doch stellt sich bei all der päpstlichen Aufbruchsstimmung letztlich eine Frage: Was bleibt? Oder um es mit den Worten Benjamin Levens vom theologischen Fachverlag Herder in Rom zu sagen: "Ein cooler Papst macht die Kirche nicht cooler."

Grenzen und Widerstand

Tatsächlich ist auch Papst Franziskus bei seinem Versuch, den Reformbesen in die Hand zu nehmen und mit Gottes Segen die heiligen Hallen zu entstauben, deutlich an seine Grenzen gestoßen. In der zweiten Reihe regt sich seit geraumer Zeit massiver Widerstand. Ungewöhnlich offen gehen gewichtige Kardinäle gegen den Papst und dessen Erneuerungskurs vor. Wohl ein Mitgrund, dass die Bilanz hinsichtlich der Nachhaltigkeit mager ausfällt: Große kirchenpolitische Veränderungen, die das Pontifikat des 81-jährigen Franziskus überdauern, sind bis dato ausgeblieben. Und sind auch wohl nicht mehr zu erwarten. Der Schritt vom Reformgas auf die Bremse ist mitunter ein kleiner. Im Hinterkopf ist bei solchen Überlegungen stets Papst Benedikt XVI. – der große Theologe, gescheitert im Amt an seinem eigenen Konservatismus und der reformresistenten Kurie.

In Österreich hat der Jesuit Bergoglio im weißen Arbeitsgewand aber durchaus bereits Spuren hinterlassen. Zu einem großen Teil ist es nämlich Papst Franziskus zu verdanken, dass auf dem heimischen Kirchenboden die Friedenspfeife geraucht wird: Nach den (weih)bischöflichen Problemfällen der letzten Jahrzehnte sind die jüngsten Personalentscheidungen – etwa die Bischöfe für die Diözesen Linz und Innsbruck – durchaus zur Zufriedenheit aller Lager ausgefallen. Und selbst rund um die altbekannten "Kämpfer" für mehr katholische Offenheit wie die Plattform Wir sind Kirche oder die Pfarrerinitiative ist es ruhig geworden. Basisrebellion macht eben unter einem rebellischen Papst gleich viel weniger Spaß. Aber Gott weiß, was noch alles kommt. (Markus Rohrhofer, 12.3.2018)