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Marine Le Pen, wiedergewählte Chefin des FN, der künftig anders heißt.

Foto: AP Photo/Michel Spingler

Allzu viel läuft dieser Tage nicht rund im Leben von Marine Le Pen. Fast schüchtern wirkte die sonst so selbstbewusste 49-Jährige, dunkelblauer Zweiteiler, das blonde Haar schulterlang, neben dem lauten Amerikaner in seinem derben, olivgrünen Wachsmantel, den die Chefin des französischen Front National (FN) als Einpeitscher nach Lille geladen hatte. "Lasst sie euch doch Rassisten nennen", polterte Steve Bannon, Donald Trumps geschasster Chefideologe und Ikone der Alt-Right-Bewegung jenseits des Atlantiks. Und erntete – nach kurzer Übersetzungspause – den Applaus des Publikums in der nordfranzösischen Industriestadt, wo Le Pen endlich die Geister der Vergangenheit abschütteln wollte. Einer Vergangenheit, die Europas wohl bekanntester Rechtspopulistin gleich in mehrerer Hinsicht im Weg steht.

Vor einem Jahr noch war die langjährige EU-Parlamentarierin und Mutter dreier erwachsener Kinder drauf und dran, die rechtspopulistische Welle, die Großbritannien weg von der EU und Trump in das Oval Office gespült hatte, auch in das Herz Europas schwappen zu lassen. Mehr als jeder dritte Wähler stimmte bei den Präsidentschaftswahlen vor zehn Monaten für sie und ihren weichgespült nationalistischen Kurs. Und doch haftet Le Pen seit der verlorenen Wahl ein Makel an. Einer, dessen Bereinigung sie sich durch den neuen Parteinamen "Rassemblement National" verspricht. Das Erbe ihres Vaters Jean-Marie, der den Holocaust leugnete und dem sie in Lille nach Jahren des Streits den Ehrenvorsitz entzog, wird sie so einfach aber nicht los.

Politische Erweckung

Le Pen war acht, als ihr die Resonanz ihres Nachnamens gewaltsam vor Augen geführt wurde. Gemeinsam mit ihren älteren Schwestern Yann und Marie-Caroline schlief sie in ihrem Pariser Elternhaus, als dort eine Bombe, adressiert an ihren Vater, explodierte. Familienfotos, erinnert sie sich, lagen auf der Straße verstreut. Vier Jahre zuvor hatte Jean-Marie Le Pen, der als Fremdenlegionär in Algerien gedient hatte, den Front National gegründet. Die Idee, dass man ihrem Vater dessen Politik wegen nach dem Leben trachtete, sei ihre Erweckung gewesen, schrieb sie später.

Vierzig Jahre danach hintertreibt der Vater die politische Abnabelung Marine Le Pens, wo er nur kann. Als er unlängst seine Memoiren vorstellte, bemerkte der Patriarch: "Ihre Verbindung zu mir wird sie nur los, wenn sie Selbstmord begeht." (Florian Niederndorfer, 11.3.2018)