Bitcoin-Miner zieht es in den Nordwesten der USA. Ob der Boom nachhaltige Wirkung entfalten wird, bleibt abzuwarten.

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Klondike, Mount Baker und einige andere Ortschaften in den USA erlebten zwischen den 1890ern und den 1920er-Jahren einen fabulösen Aufschwung. Reiche Goldreserven in Bergen und Flüssen lockten Heerscharen an Glücksritter in den amerikanischen Nordwesten.

Der "Gold Rush" ist längst Geschichte und längst nicht jede der im Abbaufieber eilig aus dem Boden gestampften Ortschaften noch bewohnt. Doch nun tut sich wieder etwas in der bergigen Landschaft nahe der kanadischen Grenze. Wieder werden Minen errichtet, aber diesmal keine Stollen gegraben. Wo einst Spitzhacken, Bohrer und Förderbänder liefen, surren nun die Lüfter von Computern und Grafikkarten. Der neue Goldrausch dreht sich um Bitcoins, berichten "Politico" und "Buzzfeed".

Optimale Bedingungen

Die Standortwahl der Mining-Firmen ist natürlich kein Zufall. Das Klima, meist kühl und trocken, ist für den Betrieb solcher Farmen optimal. Gleichzeitig ist Strom enorm billig, gesetzliche Vorschriften locker und die Steuerquote niedrig. In einem der flacheren Abschnitte, durch die der Columbia River fließt, steht mittlerweile eine der größten Bitcoin-Minen der Welt.

Begonnen hat die Entwicklung in der Gegend im Jahr 2012. Damals begann der Entwickler David Carlson damit, zuerst auf seinem Gaming-PC Bitcoins zu "minen", den er bald durch einen darauf spezialisierten Computer ersetzte. Bei diesem Prozess bestätigt der eigene Rechner mittels eines kryptografischen Verfahrens Transaktionen im Bitcoin-Netzwerk und erhält für erfolgreiche Checks eine anteilsmäßige Belohnung. Durchgeführt werden die Berechnungen von der Grafikkarte, die darin wesentlich leistungsfähiger ist als ein herkömmlicher Prozessor.

Die Anzahl der pro Transaktionsblock ausgeschütteten Bitcoins wird jedoch mit der Zeit immer geringer, während der Schwierigkeitsgrad der Bestätigungsrechnungen steigt. Das – und die größer werdende Konkurrenz durch andere "Miner" – erfordert es, regelmäßig mehr und neuere Hardware anzuschaffen, um profitabel bleiben zu können.

Eine Rechnung, die im Nordwesten der USA aufgeht. Dort soll sich sogar kostengünstiger nach digitalem Gold schürfen lassen als etwa in China, das ebenfalls zu einem wichtigen Zentrum für die Miner geworden ist.

Wahrgewordener Traum von der Bitcoin-Mine

Vor sechs Jahren saß Carlson noch in Seattle. Das Schürfen eines Bitcoins kostete ihn damals rund zwei Dollar an Stromkosten, der Verkaufspreis für die Kryptowährung lag bei zwölf Dollar. Die satte Gewinnspanne ließ ihn davon träumen, eine kommerzielle Bitcoin-Mine zu betreiben. Obwohl die steigende Schwierigkeit die Profitmarge schnell zunichtemachte, gab er seinen Traum nicht auf. Nach einer kurzen Pause begann er mit technischen Experimenten und letztlich mit der Errichtung eines Mining-Unternehmens, damals unter dem Namen "Mega-Bigpower", drei Autostunden entfernt von Seattle, im Örtchen Wenatchee.

Hier gibt es fünf Wasserkraftwerke, die in öffentlichem Besitz stehen und sechsmal mehr Strom erzeugen, als Einwohner und Betriebe in der Region verbrauchen. Dementsprechend ist der lokale Strompreis extrem niedrig, was sich zu dem Zeitpunkt auch schon Aluminium-Schmelzanlagen und IT-Größen wie Microsoft mit ihren Datenzentren zunutze machten.

Diese "Vorarbeit" half Carlson und den vielen anderen Bitcoin-Schürfern, die es in die Gegend gezogen hat. Denn dank der Serverfarmen verfügen viele Ortschaften über Glasfaseranschlüsse und dementsprechend flotte Internetanbindung. Mitte 2013 lag die Energieaufnahme von Carlsons Mine bereits bei 250 Kilowatt, was ihm mehrere hundert Bitcoins pro Tag einbrachte. Mit deren Verkauf konnte er den Strom und andere Kosten abdecken und immer noch einen Teil der Kryptowährung als digitales Spekulationsobjekt horten.

Vom Boom in den ersten Crash – und retour

Der in Richtung tausend Dollar wachsende Bitcoin-Preis sorgte für steigendes Interesse. Im Chelan County beantragten angehende Betreiber Unternehmungen mit einem Energieverbrauch von 220 Megawatt, was sogar den Stromkonsum der 70.000 Einwohner übertraf. Gleichzeitig erweiterten die bestehenden Farmen ihre Operationen, um die steigende Schwierigkeit der Berechnungen zu kompensieren. Ein nicht zu durchbrechender Kreislauf, zumal die zusätzliche Rechenkraft auch dazu führt, dass das Netzwerk den Schwierigkeitsgrad schneller höher schaltet.

Zum Teil schlossen sich daher die Schürfer zu Kollektiven zusammen, um mithalten zu können. Andere wandelten sich zu Infrastrukturbetreibern für andere Miner und gaben das "Schürfen" selber auf. Dann folgte der erste große Crash.

2015 sorgten regulatorische Sorgen, Betrugsfälle und Einbrüche bei großen Kryptobörsen für einen drastischen Verfall des Bitcoin-Preises. Viele kleinere Miner mussten das Feld räumen, andere mussten auf ihre Reserven zurückgreifen. So auch Carlson, der nach eigenen Angaben seine komplette Bitcoin-Schatztruhe abverkaufen musste, um sein Unternehmen zu retten.

Seine Geduld zahlte sich aus. 2016 begannen mehr namhafte Investoren, Interesse am Bitcoin zu zeigen, und auch manche Händler und Dienstleister experimentierten mit der Annahme der Kryptowährung. 2017 folgte der große Boom, der den Handelspreis des BTC knapp an die 20.000-Dollar-Marke führen sollte. Selbst nach dem folgenden Absturz liegt er mit rund 10.000 immer noch um ein Vielfaches über dem Preis der Vorjahre.

Zweifel an Nachhaltigkeit

In den verschiedenen Ortschaften selber sorgten die neuen "Goldgräber" für gemischtes Echo. Ansässige Krypto-Enthusiasten hofften und hoffen darauf, dass die Region zum "Eldorado" für die digitalen Währungen und die Technologien dahinter wird. Ebenso sehen einige, dass die Firmen neue, überdurchschnittlich bezahlte Jobs schaffen.

Es gibt jedoch auch einige Skepsis. Gezweifelt wird etwa an der Nachhaltigkeit der Unternehmungen, die schon bei der Krise 2015 in Zweifel gezogen worden war. Wie etwa bei einem Treffen zwischen Einwohnern und den Betreibern sowie dem Vermieter der Firma Project Spokane in Bonner, Washington, klar wurde, sind einige Bürger nicht überzeugt davon, dass die Bevölkerung langfristig etwas von dem elektronisch erzeugten Reichtum haben oder Kryptowährungen sich halten werden.

Denn schon beim ersten Goldrausch blieben die Profite weitgehend bei den Mineninhabern, auch andere Großbetriebe, die kamen und gingen, sorgten nicht für eine nachhaltige Stabilisierung der Wirtschaft. Viele der Stellen sind vertraglich befristet und bieten kaum Zusatzleistungen wie etwa Gesundheitsversicherung.

Streit um Ventilatorenlärm

Dazu gesellen sich Querelen hinsichtlich des Einflusses der Bitcoin-Farmen auf das tägliche Leben. So beschweren sich Nachbarn von Project Spokane über die hohe Lärmentwicklung durch die Ventilatoren, die die Computer und Grafikkarten bei normaler Betriebstemperatur halten. Das Firmengelände, ein ehemaliges Sägewerk, unterliegt diesbezüglich allerdings keinen regulatorischen Auflagen. Ihnen wurde nun versprochen, durch die Installation neuer Ventilatorenblätter für leisere Verhältnisse zu sorgen.

Diese teils mit öffentlichen Geldern zu finanzieren stieß als Vorschlag jedoch auf wenig Gegenliebe. Mit seinen "Millionengewinnen" sollte sich das Unternehmen die Ausstattung leicht selber leisten können, hieß es etwa. Die Betreiber halten dem entgegen, dass ihre Firma erst seit dem Vorjahr schwarze Zahlen schreibt und längst noch keine Einnahmen in dieser Höhe verzeichnet, zumal ein Großteil der Erträge schnell in neue Hardware reinvestiert werden muss.

"Optimistische Skepsis"

Die Regionen könnten freilich neue Joblieferanten brauchen. In den vergangenen Jahrzehnten hatten immer wieder verschiedene Unternehmen versprochen, die Gegend wirtschaftlich zu revitalisieren, berichtet etwa Ken Schmidt, der seit 45 Jahren in Anaconda, Montana, lebt.

Seitdem der größte Arbeitgeber, eine Schmelzerei, 1981 zusperrte, waren jedoch sämtliche Anläufe gescheitert. Man sei das "Aushängeschild für Optimisten mit enttäuschten Hoffnungen", die nach jedem Strohhalm griffen, wenn die wirtschaftliche Erholung lockt. Vielleicht bestehe ja doch eine Chance darauf, dass mehr junge Menschen in den hiesigen Ortschaften bleiben.

Der ganz große Enthusiasmus will ob des Krypto-Goldrausches allerdings nicht ausbrechen. Einmal mehr, so Schmidt, übt sich die Bevölkerung in "optimistischer Skepsis". (gpi, 7.5.2018)