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Setzte 1981 die Abschaffung der Todesstrafe in Frankreich durch: Robert Badinter

Foto: REUTERS/Francois Mori

"Eine Demokratie, die gegen Terroristen die Todesstrafe vollstreckt, macht sich die Werte Letzterer zu eigen" – so die Auffassung des am 30. März 1928 in Paris geborenen Robert Badinter. Der Sohn eines jüdisch bessarabaischen Kürschners hat wegen seiner mutigen Beiträge zur französischen, europäischen und internationalen Rechtsentwicklung auch in der österreichischen Rechtspolitik einige Jahre viel Sympathien gehabt. Badinters Vater ist während der deutschen Besetzung von Frankreich auf persönlich unterschriebenen Befehl vom Gestapochef Klaus Barbie 1943 deportiert und in einem Vernichtungslager ermordet worden. Der katholische Deutsche Barbie war als "Schlächter von Lyon" gefürchtet. Badinter konnte mit seiner Mutter im Untergrund den Holocaust überleben. Nach der Befreiung von den Nazis studierte Badinter in Paris und an der Columbia Universität und war seit 1951 als Anwalt in Paris approbiert. Von 1981 bis 1986 war der auch als Rechtsprofessor wirkende Badinter Justizminister in der Regierung des sozialistischen Politikers und französischen Staatspräsidenten François Mitterand.

Konkretes Handeln statt professoraler Phraseologie

Badinter hat sich in seinem Denken nicht von professoraler Juristenphraseologie über Recht und Gerechtigkeit à la Hans Kelsen anleiten lassen, der am Ende seines Lebens nicht wusste, was "Gerechtigkeit" ist. Badinter hat immer versucht, seine Forderungen für eine humane Rechtsentwicklung in konkretes Handeln umzusetzen. Eines der ersten seiner Vorhaben als Justizminister war es, in Frankreich die Todesstrafe abzuschaffen, was ihm 1981 gelungen ist. Badinter musste in Frankreich deswegen viel Abneigung und Anfeindung hinnehmen. 1968 war in Österreich die Todesstrafe abgeschafft worden. Das ist vor allem ein Verdienst des Sozialisten Christian Broda, der wie Badinter Anwalt und Justizminister war. Broda hat in der Nazizeit erlebt, wie viele Freunde von ihm von der Justiz zum Tode verurteilt und hingerichtet worden sind, weil sie Kommunisten waren und im Deutschen Reich deswegen als Terroristen und Feinde des Volkes kriminalisiert worden sind.

Am Zustandekommen des Zusatzprotokolls zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (1950) über die Abschaffung der Todesstrafe hat Badinter maßgeblich mitgewirkt. Es war das erste völkerrechtsverbindliche Rechtsinstrument über die Abschaffung des Todesstrafe (1983). Broda ergriff Ende 1984/Anfang 1985 im Einvernehmen mit dem "Europäischen Komitee zur Verteidigung der Flüchtlinge und Gastarbeiter C. E. D. R. I." die Initiative, Badinter für den Friedensnobelpreis vorzuschlagen.

Broda wusste, dass Raum und Zeit immer eine große Rolle spielen und deshalb bat er, der im Mai 1983 aus dem Nationalrat ausgeschieden ist, den früheren bundesdeutschen Justizminister, Präses der Synode der Evangelischen Kirche Deutschlands und stellvertretenden Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Bundestagsfraktion Jürgen Schmude als Erstunterzeichner in Oslo vorstellig zu werden. Das hat dieser gerne getan (25. Jänner 1985). Eine engagierte Unterstützung erhielt Broda aus den USA von Robert F. Drinan SJ vom Juristischen Zentrum der Georgetown University: "I will be happy to support the candidacy of Mr. Robert Badinter for the Nobel Peace Prize. You can use my name on appropriate literature. I was very impressed at all that this jurist has done and commend you and your colleagues for proposing him for a Nobel Peace Prize". Das zeigt die Möglichkeiten, die einem jüdisch-christlichen Dialog innewohnen könnten. Henry Kissinger, zu dem Heinz Fischer seit seinem US-Aufenthalt untertänigen Kontakt gepflegt hat, wurde von Broda verständlicherweise nicht kontaktiert.

Machthaber sind auch Rechthaber

Badinter war von Brodas Absicht informiert und hat ihn gebeten, keine "Öffentlichkeitsarbeit" zu machen, weil er bei einem vorzeitigen Bekanntwerden eines solchen Vorhabens eine Hetzkampagne in Frankreich befürchten musste. Zur Verleihung des Friedensnobelpreises an Badinter ist es nicht gekommen. Dagegen werden Friedensnobelpreise an Machthaber verliehen, die durch Anordnung gezielter Drohnenermordungen mutmaßlicher Terroristen (samt Kollateralschaden) ebenso wie systematische Folterungen oder ein "Feindstrafrecht" im herrschenden Völkerrecht etabliert haben. Machthaber sind eben auch Rechthaber – in der großen Welt und im kleinen Österreich.

Drei fundamentale Prinzipien

Broda hat wenige Monate vor seinem Ableben (1. Februar 1987) für das von Badinter 1986 lancierte Projekt zur Errichtung einer internationalen Stiftung zur Unterstützung der Behandlungszentren für Flüchtlinge, die Opfer von Folterungen waren, alles, was ihm möglich war, getan. Solche Zentren hat es um 1986 in Frankreich, Dänemark und Schweden gegeben. Badinter, seit Februar 1986 Präsident des französischen Verfassungsgerichtshofes, schreibt an Broda: "Ich darf somit jetzt neuerlich an Sie herantreten, an Ihre Kompetenz und an Ihren großen Kreis von Freunden und militanten Verteidigern der Menschenrechte ... Kurz gesagt, betrachten Sie mein wichtiges Projekt als ein 'joint venture', das uns verbindet".

Zielsetzung der von Badinter repräsentierten "Vereinigung für die Opfer der Verfolgung im Exil" waren drei fundamentale Prinzipien: Bei der Diagnose und bei der Behandlung ist es wichtig, so weit als möglich Methoden zu vermeiden, welche an Folter erinnern könnten – medizinische Behandlung muss mit Psychotherapie verbunden werden. Beide Behandlungen sollten gleichzeitig aufgenommen werden – nicht nur das Opfer von Folter, sondern auch der Gatte und die Kinder des Opfers sollten in die Behandlung einbezogen werden. Die sozialen Bedingungen und die Lebensverhältnisse der Familie müssen bei der Behandlung des Opfers von Folter in Betracht gezogen werden. Broda informierte sein Netzwerk ihm vertrauter Persönlichkeiten in Österreich wie Anton Benya, Rudolf Kirchschläger, Bruno Kreisky, Kurt Steyrer oder Leopold Ungar, die sich alle zur Verfügung stellten. Franz Kardinal König wollte das Seine dazu beitragen, "diesem humanitären Anliegen zur Verwirklichung zu verhelfen".

Präventive, nicht repressive Justiz

Badinter lehnte Sondergerichte ebenso ab wie Sondergesetze. Bahnbrechend und ihn mit Broda verbindend ist das Bemühen, an die Stelle der repressiven Justiz eine präventive Justiz zu entwickeln. Seine Rechtsidee formulierte er so:

"Immer werde ich Gesetzestexte zurückweisen, die unnötig repressiv, aber politisch ausschlachtbar sind ... Sozial gesehen drücken diese Texte eine bestimmte Konzeption der 'gefährlichen Bevölkerungsschichten' aus. Gemeint sind die Randgruppen, die arbeitslosen Jugendlichen, die sozial abweichenden, aber auch die Gastarbeiter, kurz alle, die man angesichts der ihnen zugeschriebenen Gefährlichkeit überwachen und zwangsläufig schärfer bestrafen muss als die anderen. Diesen menschlichen Pessimismus und diese soziale Segregation lehne ich gleichermaßen ab".

Badinter und Broda – ihr Denken und Handeln für das humane Rechte scheinen im Anblick der Gegenwart so wie die Aufklärung entsorgte Geschichte zu sein, in Österreich ohnehin! (Gerhard Oberkofler, 13.3.2018)