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Pawel Grudinin hat Umfragen nach Chancen auf zehn Prozent.

Foto: Reuters

Moskau – Es besteht Erklärungsbedarf so kurz vor der Präsidentenwahl in Russland: Wie will Moskau die internationalen Beziehungen entspannen, mit welchem wirtschaftlichen Kurs die Folgen der Krise überwinden? Doch das ist derzeit Nebensache. In den kremlnahen Medien gibt es nur ein Thema: Die Schweizer Konten des kommunistischen Präsidentschaftskandidaten Pawel Grudinin. Bis zu einer Million Dollar soll der 57-Jährige darauf liegen haben, selbst vom im Ausland gebunkerten "Gold der Partei" ist schon die Rede. Grudinin dementiert, doch vergeblich.

Grudinin als Spitzenkandidat der russischen Kommunisten ist eine ungewöhnliche Wahl: Parteiführer ist der 73-jährige Gennadi Sjuganow. Viermal hat er sich bei Präsidentenwahlen versucht. Näher als 1996, als er Amtsinhaber Boris Jelzin in die Stichwahl zwang, ist er dem Präsidentenamt nie gekommen – böse Zungen behaupten, er habe es auch nie versucht.

Neues Gesicht für KP

Zuletzt zeigten die Umfragewerte der KP deutlich nach unten. Ein neues Gesicht musste her. Grudinins Kandidatur sei mit dem Kreml abgestimmt gewesen, meint der Politologe Andrej Kolesnikow, denn dort versprach man sich vom neuen Kandidaten eine höhere Wahlbeteiligung.

Und tatsächlich: Der Coup gelang. Das Volk, der ewig gleichen Kandidaten müde, gab dem bis dahin weitgehend unbekannten Grudinin einen Popularitätsvorschuss. Als erfolgreicher Unternehmer und Direktor eines Erdbeerhofs im Gebiet Moskau konnte er sogar auf Stimmen außerhalb der typischen kommunistischen Stammklientel hoffen. Mit Stalin-Lobhymnen versuchte er derweil auch, die eigenen Anhänger bei Laune zu halten.

Kreml will keine Konkurrenz

Zugleich mit den Umfragewerten Grudinins stieg auch die Nervosität in der Präsidialverwaltung: "An echter Konkurrenz – sei es auch nur auf dem Niveau von zehn Prozent – war der Kreml natürlich nicht interessiert", sagt Kolesnikow. Wladimir Putins Wahlsieg in der ersten Runde, am besten mit Rekordergebnis, sollte nichts stören. Was folgte, war die gezielte Diskreditierung Grudinins.

Zogen die Medien erst die Rechtmäßigkeit der Privatisierung des Erdbeerhofs, die immer noch "Lenin-Sowchos" heißt, in Zweifel, so fand sich bald schärfere Munition gegen den Herausforderer: Auslandskonten. Ausgerechnet bei einem Kommunisten – und dann noch in der Schweiz.

Grudinin betonte, vor der Registrierung alle Konten geschlossen zu haben. Doch das Thema wurde immer größer: In den TV-Debatten waren die Herausforderer ohnehin weniger damit beschäftigt, den abwesenden Amtsinhaber zu kritisieren, als sich gegenseitig. Speziell Populistenführer Wladimir Schirinowski hackte lautstark auf seinem härtesten Gegner um Platz Zwei – denn darum geht es bei der Wahl eigentlich nur – herum.

Zusehends entnervt, gab Grudinin die Teilnahme an den Debatten, die er als "Basar" bezeichnete, auf. Die Medien schrieben von Flucht. Das Antirating Grudinins stieg infolge der Medienkampagne deutlich an, immerhin waren Meldungen mit seinem Namen fast zu 80 Prozent negativ behaftet. Nun wollte das kremlnahe Boulevardmedium Live sogar eine Verbindung zwischen den UBS-Konten Grudinins und dem Exil-Oligarchen Michail Chodorkowski gefunden haben.

Die Folge: In der Teilrepublik Mari El sagte sich eine verbündete Organisation der Kommunisten von Grudinin los und will stattdessen für Putin stimmen. Über die Konten von dessen Vertrauten wird in der russischen Presse nämlich nicht berichtet. (André Ballin aus Moskau, 12.3.2018)