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Die Proteste in Bratislava fordern das Ende der Ära Fico.

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Premier Fico (mi.), flankiert vom Polizeipräsidenten und dem nun zurückgetretenen Innenminister, setzte Ende Februar eine Million Euro Kopfgeld auf die Mörder von Ján Kuciak und seiner Verlobten aus.

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Bratislava – Die mitregierende slowakisch-ungarische Versöhnungspartei Most-Hid (Brücke) hat Neuwahlen als Ausweg aus der tiefen politischen Krise, in die die Slowakei nach dem Mord an dem Investigativ-Journalisten Ján Kuciak und seiner Verlobten Martina Kusnírová geschlittert war, gefordert. Das gab der Most-Vorsitzende Béla Bugár nach stundenlangen Beratungen seiner Partei am späten Montagabend in Bratislava bekannt.

Der Rücktritt von Innenminister Robert Kaliňák am Montagmittag reichte der Most-Hid als Konsequenz der Morde offenbar nicht aus. Eine andere Alternative als mit den Koalitionspartnern über vorgezogene Parlamentswahlen zu verhandeln komme für die Most-Hid nicht mehr in Frage, teilte Bugár nach den Beratungen des Republikrats seiner Partei mit. Sollte es zu keiner Einigung kommen, wolle die Most-Hid die Koalition verlassen und damit fallen lassen.

Ungarnpartei will Regierung aber nicht verlassen

Bei einer Einigung würden hingegen laut Bugár alle Minister seiner Partei bis zum Wahltermin in der Regierung verbleiben. Initiativen der bürgerlichen Opposition, die zum Sturz der Regierung führen sollen, will die Bugár-Partei allem Anschein nach vorerst nicht unterstützen.

Die Entscheidung der Most-Hid wurde im Land mit viel Spannung erwartet. Es war davon ausgegangen worden, die Bugár-Partei werde die Koalition rund um die sozialdemokratische Smer (Richtung) von Ministerpräsident Robert Fico entweder stützen oder fallen lassen. Nun hat sich die Ungarnpartei offenbar für einen dritten Weg entschieden.

Für eine Verkürzung der aktuellen Amtszeit sind im slowakischen Nationalrat mindestens 90 Stimmen der 150 Abgeordneten notwendig. Aktuell stützt sich die Regierung von Fico auf nur noch 78 Stimmen im Parlament, die Opposition ist aber ohne Hilfe aus Koalitionsreihen weder fähig der Regierung Misstrauen auszusprechen, noch Neuwahlen durchzudrücken. Zuletzt wurde das Parlament vor zwei Jahren gewählt.

Die Smer sowie dessen Parteichef Fico wollten die Verkündung der Most-Hid vorerst nicht kommentieren. Der slowakische Europaabgeordnete Richard Sulík, Vorsitzender der neoliberalen Freiheit und Solidarität (SaS), deutete die Entscheidung der Ungarnpartei als "faktischen Zerfall der Regierungskoalition".

Nach dem Mord am Investigativ-Journalisten Kuciak vor zwei Wochen war die Slowakei in eine politische Krise geschlittert. Der Aufdeckreporter hatte zuletzt über ein Mafia-Netzwerk in der Ostslowakei mit Verbindungen zu höchsten Ebenen der slowakischen Regierung berichtet. Die Aufdeckungen trieben Zehntausende Slowaken in die Straßen, sie forderten Aufklärung sowie eine neue, vertrauenswürdige Regierung. Opposition und Medien hatten auf politische Konsequenzen gepocht.

Misstrauensantrag gegen Fico

Mit dem Rücktritt von dem unter Korruptionsverdacht stehenden Innenminister Kaliňák und der nachfolgenden Entscheidung des Juniorpartners Most-Hid über beabsichtigte Neuwahl-Verhandlungen dürften die heftigen politischen Turbulenzen in der Slowakei weitergehen. Die bürgerliche Parlamentsopposition, die sich ebenfalls mit dem Rücktritt von Kaliňák nicht zufriedengeben wollte, hatte einen bereits angekündigten Misstrauensantrag gegen Ministerpräsident Fico am Montag im Parlament eingebracht. Eine Abstimmung muss innerhalb einer Woche stattfinden. Für die Regierung des Sozialdemokraten Fico könnte diese ohne alle Stimmen seines Juniorpartners das definitive Aus bedeuten.

Auch die Organisatoren der Massenproteste gegen die Fico-Regierung vom vergangenen Freitag wollten sich mit dem Abdanken von Kaliňák sichtlich nicht zufriedengeben. Sie kündigten weitere landesweite Protestaktionen an, mit denen sie gründliche Aufklärung des Journalistenmordes sowie einen Rücktritt der Regierung fordern wollen. Innerhalb weniger Stunden nach Veröffentlichung des Aufrufs in Sozialen Netzwerken haben über 20.000 Slowaken ihre Teilnahme zugesagt. (APA, 13.3.2018)