David Gleirscher, wie er in der "Frozen Period", die den olympischen Sponsoren Exklusivität sichert, zu sehen ist.

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David Gleirscher in den Jahren davor und danach.

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Wien – Es ist nur ein kleines, aber feines Beispiel dafür, zu welchen Verwirrungen die Regel 40 führen kann. Die Kärnten Werbung hatte dem Kärntner Matthias Mayer nach seinem Super-G-Olympiasieg via Facebook gratuliert und dabei auch ein Foto des jubelnden Skirennläufers ins Netz gestellt. Das, konstatierte die Marketingabteilung des Skiverbands (ÖSV), deren Präsident Peter Schröcksnadel auch Vizepräsident des ÖOC ist, widerspreche den Werberichtlinien des IOC. Und also wurde die Kärnten Werbung per E-Mail ersucht, "dieses Posting so rasch wie möglich zu entfernen". Sie kam dem Ansinnen nach und setzte eine weitere, nun ja, verschlüsselte Botschaft ab, in der von "unserem Goldjungen aus Kärnten" und "M. M." die Rede war. Schräg.

"Rule 40" – eine von mehreren Regeln, denen sich Olympiateilnehmer per Unterschrift zu unterwerfen haben – soll den Olympiasponsoren Exklusivität garantieren. Entsprechend wird die sogenannte "Frozen Period" definiert, in der nicht nur Sportlerinnen und Sportler darauf verzichten müssen, ihre persönlichen Sponsoren und die ihres Verbands oder Vereins herzuzeigen, sondern auch die Sponsoren zu absoluter Zurückhaltung angehalten sind. Verstöße gegen die Regel 40 können im schlimmsten Fall zum Olympiaausschluss eines Sportlers führen, der vom IOC verantwortlich gemacht wird.

Bei den Spielen in Pyeongchang dauerte die "Frozen Period" von der Eröffnung des Olympischen Dorfs bis drei Tage nach der Schlussfeier, also zwölf Tage länger als das Ereignis an sich. Das bedingte, dass Sportlerinnen und Sportler noch bei den Empfängen in der Heimat im offiziellen Gewand aufzutreten hatten.

Seit Jahren regt sich – speziell in den USA und in Deutschland – Widerstand gegen die olympischen Werbebeschränkungen. US-Skirennläufer Ted Ligety bezeichnete die Regel 40 als "Scherz. Sie hat im modernen Sport nichts verloren, sie gehört in die 60er oder 70er. Als Sportler bereitest du dich vier Jahre hart auf das wichtigste Ereignis vor, und genau dort hast du keine Chance, die Sponsoren herzuzeigen, die dich vier Jahre lang unterstützt haben. Preisgeld gibt es auch keines – es ist wirklich eine Schande."

In Deutschland führte das Bundeskartellamt ein Verwaltungsverfahren gegen das IOC und den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB). Ergebnis war eine Lockerung der Richtlinien. Laut Kartellamt waren Grußbotschaften der Sponsoren an Athleten anders als bisher auch während der "Frozen Period" unter bestimmten Voraussetzungen auf Social Media zulässig.

Der Rodler David Gleirscher, der in Südkorea die erste Goldmedaille für Österreich geholt hat, gibt Ligety prinzipiell recht. "Speziell für Vertreter kleinerer Sportarten ist es schade, dass man beim wichtigsten Ereignis die Sponsoren nicht herzeigen darf." Als Rodler könne man, anders denn ein Skifahrer, alle vier Jahre "wirklich auffallen". Wobei, das will Gleirscher auch festgehalten wissen, niemand des Geldes wegen zu rodeln beginne. "Wir sind alle Idealisten." Für seine Goldene bekam der Tiroler Münzen im Wert von 17.000 Euro, durch Team-Bronze kamen noch einmal 11.000 Euro dazu. Auch sein Privatsponsor ("Stubai") lobte eine Prämie aus. Gleirscher ist Polizist, hat als solcher ein Einkommen und ist versichert. Die Polizei ist der zweite große Arbeitgeber im heimischen Spitzensport, der erste ist das Bundesheer.

Marcel Hirschers Kommunikationsberater Stefan Illek versteht die Unzufriedenheit eines Rodlers oder Nordischen Kombinierers. Im Gegensatz zu ihnen genieße Hirscher bereits eine Woche nach Olympia im Weltcup wieder große Aufmerksamkeit. Illek meint, das IOC solle "Sportler, wenn diese schon ihre Rechte abtreten, teilhaben lassen" und Preisgelder für Medaillen zahlen. Ein Olympiatitel sollte dem IOC jedenfalls eine sechsstellige Eurosumme wert sein. "Das Geld wäre da, und es wäre gerecht." Vertretern von Randsportarten bleibt selbst nach einem Olympiaerfolg nur wenig Zeit, um zusätzliche Sponsoren zu akquirieren. Illek: "Das Heu musst du einbringen, wenn die Sonne scheint."

ÖOC-Generalsekretär Peter Mennel hat "natürlich Verständnis für Athleten, die teilhaben wollen. Aber man muss das Gesamtbild sehen." Mennel verweist darauf, dass aus den IOC-Einnahmen "mehr als 90 Prozent in den Sport zurückfließen. Das sind 3,5 Millionen Dollar pro Tag." Der Rodler Gleirscher könnte anmerken, dass ihm davon noch nichts untergekommen ist. Doch laut Mennel konnte das ÖOC nur ungefähr 50 Prozent der Korea-Beschickungskosten aus öffentlichen Geldern finanzieren. Der Rest sei vom IOC und von ÖOC-Sponsoren gekommen. "Und die Sponsoren wünschen sich natürlich Exklusivität."

Wie das IOC vertritt Mennel den Standpunkt, dass Sportlerinnen und Sportler auf Olympia angewiesen sind, weil sie dort – im Erfolgsfall – ihren Wert stark steigern können. Den anderen Standpunkt, dass das IOC ohne Sportlerinnen und Sportler einpacken könnte, versteht Mennel auch. Ob er also Olympiapreisgelder künftig für möglich hält? "Ich sage nie, dass ich mir etwas gar nicht vorstellen kann."

Wenn ein Unternehmen, das nicht mit Olympia im Bunde ist, eine Kampagne mit einem Sportler mindestens drei Monate vor Olympiabeginn lanciert und die Kampagne sich nicht auf Olympia bezieht, so darf sie während der Spiele weiterlaufen. Wer auf Nummer sicher gehen will, steht nicht nur einem Sportler, sondern auch gleich dem IOC oder dem ÖOC zur Seite.

Im Falle des Matthias-Mayer-Beispiels hätte die Kärnten Werbung damit argumentieren können. Sie ist in einer Allianz mit der Österreich Werbung, die ÖOC-Partner ist. So gesehen wäre schon gegen das erste Gratulationsposting nichts einzuwenden gewesen. Doch vorauseilender Gehorsam ist die Mutter der olympischen Kuchenform. (Fritz Neumann, 13.3.2018)