Gergely Karácsony (links) und Christian Kern (rechts) beim freundschaftlichen Handshake.

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Am 8. April wird in Ungarn ein neues Parlament gewählt. Daran, dass Viktor Orbán und seine regierende Fidesz-Partei dabei die Macht verlieren könnten, glaubte bis vor kurzem kaum jemand, doch seit bei den Bürgermeisternachwahlen am 25. Februar in einem eigentlich als Fidesz-Hochburg bekannten Örtchen namens Hódmezövásárhely ein von allen Oppositionellen unterstützter unabhängiger Kandidat gewonnen hat, verspürt die Opposition Rückenwind und so etwas wie einen kleinen Funken Hoffnung.

Gergely Karácsony, Spitzenkandidat des Oppositionsbündnisses Allianz für Veränderung, soll diese Hoffnung in konkrete Ergebnisse umwandeln und Fidesz zumindest ihrer Zweidrittelmehrheit berauben. Der Co-Vorsitzende der grünliberalen Kleinpartei Dialog für Ungarn wurde innerhalb einer Allianz mit der sozialistischen MZSP und der Liberalen MLP zum gemeinsamen Spitzenkandidaten für die Parlamentswahlen aufgestellt. Der studierte Soziologe und Politologe war gemeinsam mit Gyula Molnár, Parteichef der MSZP, am Dienstag nach Wien gereist und gab gemeinsam mit SPÖ-Chef Christian Kern eine Pressekonferenz zu den anstehenden Wahlen.

Ansteckungsgefahr für Europa

"Der Orbánismus ist eine Krankheit in Europa und steckt immer mehr Mitgliedstaaten an", hielt sich Karácsony nicht lange mit seiner Kritik am ungarischen Ministerpräsidenten zurück und empfahl sich selbst als Partner und Verbündeter "im Kampf gegen den Populismus". Gewisse Zeichen dieses Trends könne man selbst in Österreich sehen, "und das schadet nicht nur den Mitgliedstaaten, sondern Europa als Ganzes", sagte Karácsony. Sich und sein Wahlbündnis präsentierte er als prodemokratischen und proeuropäischen Gegenentwurf zu Orbáns illiberaler, europakritischer Führung.

"Es geht bei dieser Wahl auch um österreichische Interessen", ergänzte SPÖ-Chef Kern. Er hätte die jüngsten Entwicklungen sehr "besorgt zur Kenntnis genommen" und halte vor allem die antieuropäische Einstellung Orbáns für bedenklich. Man müsse heute für Werte kämpfen, die früher in Ungarn nie infrage gestellt wurden, gab Karácsony zu bedenken. Wenn "demokratische Werte und Institutionen ausgehöhlt würden" und Presse-, Meinungs- sowie akademische Freiheiten gefährdet seien, brauche es starke europäische Partner.

Kritik an FPÖ-Nähe zu Orbán

"Die einen mögen Viktor Orbán hofieren, wir empfangen das andere Ungarn", erklärte Kern in Anspielung auf Treffen Orbáns mit FPÖ-Regierungsmitgliedern. Über das kürzlich verbreitete Video, das den ungarischen Kanzleramtsminister János Lázár bei einem Spaziergang durch den Wiener Bezirk Favoriten zeigte und als warnendes Beispiel für Budapest in Migrationsfragen gelten sollte, sagte Karácsony: "Ganz Ungarn hat darüber gelacht", man würde Budapest "einen Gefallen tun", wenn man es mit Wien vergleiche.

Karácsony kritisierte zudem die Europapolitik Orbáns scharf: "Es ist einfach: Sie stehlen das europäische Geld, und mit dem gestohlenen Geld will man eine antieuropäische Haltung bei der Bevölkerung erreichen." Die ungarische Regierung habe dabei in der aktuellen Budgetperiode bereits 96 Prozent des bis 2020 geplanten Haushalts "für sehr fragliche Zwecke" verwendet.

Schwierige Zweckpartnerschaften

2011 wurde das ungarische Wahlsystem geändert. Seither gibt es 106 Einzelwahlkreise mit Mehrheitswahlrecht, die restlichen 93 Mandate werden per Verhältniswahlrecht verteilt. Man geht davon aus, dass die Opposition rund 25 Einzelwahlkreise gewinnen müsste, um die Zweidrittelmehrheit von Fidesz zu kippen. Bei 40 könnte die absolute Mehrheit der Regierung gefährdet sein, und bei 50 Mandaten könnte sich die Opposition sogar berechtigte Hoffnungen auf einen Machtwechsel machen. Dafür müsste sich der links-liberale Block, der in Umfragen bei nicht mehr als zehn bis 15 Prozent liegt, allerdings mit der rechtsextremen Jobbik arrangieren. Diese gibt sich in letzter Zeit zwar etwas gemäßigter, kommt für Karácsony als Bündnis- und Koalitionspartner aber nicht infrage.

Dennoch will man sich eventuell absprechen, um die jeweils hoffnungsvollsten Kandidaten allein gegen Fidesz in den Einzelwahlkreisen ins Rennen schicken. "Der Feind meines Feindes ist noch lange nicht mein Freund", sagte Karácsony, man werde aber trotzdem nicht weinen, sollte Jobbik Fidesz ein paar Mandate entreißen. (Fabian Sommavilla, 13.3.2018)