Elisabeth Stögmann ist Fachärztin für Neurologie an der Medizinischen Universität Wien.

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Frontotemporale Demenz verändert die Persönlichkeit: "Manche Patienten verlieren ihren Antrieb, wirken apathisch. Andere sind distanzlos, manchmal auch enthemmt", sagt Elisabeth Stögmann.

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STANDARD: Woran erkennt man, dass jemand an einer frontotemporalen Demenz (FTD) leidet?

Elisabeth Stögmann: Bei der verhaltensbetonten FTD verändert sich zu Beginn die Persönlichkeit. Manche Patienten verlieren ihren Antrieb, wirken apathisch. Andere sind distanzlos, manche auch enthemmt. Das heißt, vormals höfliche Menschen machen etwa plötzlich sexuell anzügliche Bemerkungen. Auch wiederkehrende Bewegungsmuster, etwa das Glattstreichen von Servietten, sind typisch. Manche entwickeln einen Heißhunger auf Süßes oder bestimmte Lebensmittel. Der Verlauf ist bei jedem Patienten unterschiedlich. Die Krankheitseinsicht kann komplett fehlen. Bei den sprachdominanten Varianten kommt es zu Beginn der Erkrankung zu Sprachstörungen, erst später sind Patienten auch von Gedächtnisproblemen betroffen.

STANDARD: Wohin sollte man sich wenden, wenn der Verdacht besteht, an FTD zu leiden?

Stögmann: Es sollte ein Neurologe aufgesucht werden – im Idealfall in Begleitung eines nahen Angehörigen, denn sie können die Verhaltensänderungen am besten beschreiben. Eine ausführliche Anamnese sowie verschiedene Tests und bildgebende Verfahren wie MRT und Positronen-Emissions-Tomografie (PET) können Aufschluss geben. Die PET, mit der man Stoffwechselvorgänge im Gehirn untersuchen kann, bietet sich gerade in der Frühdiagnostik an, denn der Abbau der Nervenzellen geht mit einem reduzierten Stoffwechsel einher. Wenn man das im Stirn- und Schläfenbereich nachweisen kann, spricht das für eine FTD.

STANDARD: Gegen FTD gibt es noch keine Medikamente. Wie kann Patienten trotzdem geholfen werden?

Stögmann: Leider gibt es noch keine zielgerichtete Therapie, man versucht die Verhaltensauffälligkeiten der Patienten zu mildern – bei Antriebslosigkeit haben sich etwa Antidepressiva bewährt. Physiotherapie und Logopädie sollten in den Behandlungsplan aufgenommen werden, da von einem Nutzen für den Patienten ausgegangen werden kann, auch wenn es noch keine Studien dazu gibt.

STANDARD: Gibt es präventive Maßnahmen, die vor FTD schützen?

Stögmann: Nein, die gibt es nicht. Hinweise darauf, dass ein erhöhter Blutdruck zum Beispiel das Risiko erhöht, sind nicht vorhanden. Eine gesunde Ernährung, ausreichend Schlaf und Bewegung sind grundsätzlich gesundheitsfördernd, aber es gibt keine Belege, dass eine solche Lebensweise das Risiko für FTD mindert.

STANDARD: Was ist die größte Belastung bei der Krankheit?

Stögmann: Für die Angehörigen ist FTD sehr belastend. Das unaufhaltsame Fortschreiten der Krankheit und die eigene Hilflosigkeit machen vielen zu schaffen. Da geht es ihnen ähnlich wie den Angehörigen von Alzheimerpatienten. Dazu kommen aber Besonderheiten der FTD: Die Erkrankung ist in der Öffentlichkeit relativ wenig bekannt. Häufig sind die Erkrankten noch verhältnismäßig jung und die Verhaltensauffälligkeiten schwer zu ertragen, häufig schämt man sich dafür. FTD-Patienten verlieren ihr Einfühlungsvermögen, viele Angehörige fühlen sich durch die Gefühlskälte abgewertet. Man verliert den vertrauten Menschen, das ist für Familienmitglieder schwer zu ertragen.

STANDARD: Was empfehlen Sie Angehörigen?

Stögmann: Eine korrekte Diagnose ist wichtig. Selbst wenn noch keine Therapie existiert, ist eine Diagnose oft eine Erleichterung – man kann sich mit anderen Betroffenen austauschen. Selbsthilfegruppen sind hilfreich und natürlich Hilfe bei der Pflege des Erkrankten. (Juliette Irmer, 14.3.2017)